Gefälschte Pässe, erlogene Kinderzahl, zu wenig Prüfer: Die Regierung will härter gegen Sozialbetrug vorgehen. Ob das tatsächlich nötig ist, wurde am Mittwoch bei Katia Wagner auf krone.at durchaus emotional diskutiert. Die Auseinandersetzung verlief vor allem zwischen der Stadt Wien, vertreten durch Sozialstadtrat Peter Hacker, und Vertretern der beiden Regierungsparteien, nämlich Dagmar Belakowitsch (FPÖ) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger. „Bei dieser Regierung werden Brände gelöscht, die zuvor von ihr gelegt werden“, stellte dabei der Wiener Sozialdemokrat fest. Und erntete dafür schärfsten Widerspruch. Im Video oben sehen Sie die Highlights der Sendung, das gesamte Video finden Sie hier!
„Sozialmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt“
„Eines muss ganz klar gesagt werden: Sozialmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt. Uns geht es darum, dass es eine neue Gerechtigkeit gibt. Wir wollen jenen helfen, die sich selbst nicht helfen können. Aber Betrug muss abgestellt werden“, erklärte etwa ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Es sei in den letzten Jahren klar festgestellt worden, dass das System seine Mängel habe: „Da wollen wir noch genauer hinschauen und das Netz engmaschiger machen.“
Die Frage, die sich die Regierung immer stellen werde, sei: „Sind wir treffsicher genug? Und da ist es auch egal, ob bei Unternehmen oder bei Einzelfällen.“ Damit reagierte er auch auf Vorwürfe vonseiten der Opposition, die geplante Sozialpolizei würde sich nur um den kleinen Mann von der Straße kümmern und die großen Fälle unter den Tisch fallen lassen. Tatsächlich habe die derzeitige Regierung seit 2017 sehr viele gute Sachen umgesetzt: „Wir haben in einem Jahr so viele Maßnahmen gesetzt, die den Menschen helfen.“
„Diese Regierung löscht Brände, die sie selber legt“
In klaren Widerspruch ging dazu der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker: „Bei dieser Regierung werden Brände gelöscht, die zuvor von ihr gelegt werden.“ Auch die neue Sozialpolizei sei solch ein Fall: „Sie lösen keine Probleme, sondern sie schaffen Luftballons. So wie die Sozialpolizei, die ist auch so ein Luftballon.“ Mit ihr würde nur wieder eine neue Organisationseinheit geschaffen, die aber auf keiner klaren gesetzlichen Grundlage steht. „Wir brauchen mehr Polizisten in Wien, die werden uns ständig verweigert. Stattdessen werden wieder neue Sondereinheiten geschaffen.“
Betrug gehöre klarerweise bekämpft, aber das sei auch schon immer so gewesen, auch in Zusammenarbeit mit der Polizei. Dazu seien die Prüfsysteme in Wien auch sehr vielschichtig und erstrecken sich vom Antrag bis hin zur Auszahlung und werde auch im Einzelfall genau ins Auge genommen. Allerdings: „Wir haben in Wien ein klares Bekenntnis dazu - und dafür genieren wir uns auch überhaupt nicht -, dass Kinder nicht in Armut leben müssen. Menschen, die unsere ausgestreckten Hände brauchen, dürfen wir nicht als Betrüger hinstellen.“
„Betrug ist Betrug, egal ob von Österreichern oder nicht“
Dieses Bild wollte Dagmar Belakowitsch so allerdings nicht gelten lassen, weil es nicht der Realität entspreche: „Es sind ja nicht mehr die Ärmsten der Ärmsten, die betrügen. Das bedarf ja größter krimineller Energie.“ Dadurch würden sie dann auch zu großen Beträgen kommen und „groß angelegter Sozialbetrug bringt das System zum Kippen“. „Jeder Fall von Betrug bei der Mindestsicherung ist einer zu viel“, stellte die FPÖ-Politikerin dabei fest. Und dabei werde man sich sicher nicht nur auf Ausländer konzentrieren, wie vor allem ihrer Partei immer vorgeworfen werde: „Betrug ist Betrug, egal ob von Österreichern oder nicht.“
Es gehe insgesamt darum, „die Spreu vom Weizen zu trennen“. Die neue Sozialpolizei werde sich daher auch Unternehmen anschauen, „die kriminelle Energie aufwenden“. Für sie sei dabei aber ein Unterschied ganz klar feststellbar: „Im Gegensatz zur Stadt Wien schaut diese Regierung hin und nicht weg.“ In der Bundeshauptstadt werde jeder Einzelfall, aber auch größere Strukturen immer kleingeredet und grundsätzliche Probleme nicht angegangen. Die Bundesregierung werde dies aber nun ändern, etwa auch durch eine einheitliche Mindestsicherung auf Bundesebene.
„Würde mir oft auch eine neue Solidarität wünschen“
Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner vermisste hingegen in der Diskussion etwas das Augenmaß. „Wir sollten darauf achten, wie die Debatte geführt wird. Es sollte zu keiner Neiddebatte - weder nach unten noch nach oben - kommen.“ Statt der so oft propagierten „neuen Gerechtigkeit“ würde er sich auch eine „neue Solidarität“ wünschen. Dazu gehöre auch, dass man sich genau anschaue, wo die Probleme tatsächlich liegen. Der Verlust durch Steuer- und Abgabenbetrug sei etwa sechsmal so hoch wie der durch Sozialbetrug.
Eine seiner Hauptsorgen sei daher, dass „auf dem Rücken von Menschen, die in Not sind, Politik gemacht wird“. Er habe hier einen sehr klaren Gradmesser: „Jede politische Maßnahme wird sich daran messen müssen, ob die Schlangen bei uns (also der Caritas, Anm.) größer werden.“
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