Nach Khashoggi-Mord

Scheinheiligkeit des Westens nicht zu überbieten

Österreich
04.11.2018 09:02

Plötzlich empört sich die westliche Welt über Saudi-Arabien wegen der Ermordung des Journalisten Khashoggi. Die Scheinheiligkeit ist nicht zu überbieten: Saudi-Arabien und sein religiös-industrieller Sektor gelten als Wiege des Radikal-Islamismus. Das Land tritt Menschenrechte mit Füßen. Aber wegen lukrativer Waffen- und Ölgeschäfte schaut der Westen weg.

„Der Abschlussbericht über die Terroranschläge vom 11. September steht bis heute unter Verschluss. Denn er soll schwerste Vorwürfe gegen den wichtigsten Verbündeten des Westens im Nahen Osten enthalten: Saudi-Arabien. 15 von 19 Attentätern waren saudische Staatsbürger. Saudi-Arabien soll den “islamistischen Terror auf US-Boden finanziert und systematisch unterstützt haben." Das sagte Bob Graham - ehemaliger US-Senator und Leiter des Geheimdienstausschusses. Um die Rolle der USA im Nahen Osten sowie Öl- und Waffenexporte nicht zu gefährden, soll bereits die Bush-Regierung hierüber Stillschweigen angeordnet haben.

Die Attacke auf die Twin Towers in New York schockte die ganze Welt. (Bild: AFP)
Die Attacke auf die Twin Towers in New York schockte die ganze Welt.

„Saudi-Arabien, ein IS-Staat, der es geschafft hat“
Saudi-Arabien und sein religiös-industrieller Sektor sind die geistige Wiege des radikalen Islamismus, mit dem auch Europa zu kämpfen hat. Der Salafismus wird von dort aus mit enormen finanziellen Mitteln weltweit verbreitet. Saudi-Arabien finanziert Moscheen, Zeitungen, Fernsehstationen, Sender und Vereine, die Radikal-Islamismus propagieren. Die „New York Times“ titelte schon vor drei Jahren spöttisch: „Saudi-Arabien, ein IS-Staat, der es geschafft hat“.

Kronprinz Mohammed bin Salman (Bild: APA/AFP/POOL/Dan Kitwood)
Kronprinz Mohammed bin Salman
Jamal Khashoggi (Bild: AFP)
Jamal Khashoggi

Die ultra-reaktionäre Öl-Monarchie war nie zimperlich. 2003 ließ man ein abtrünniges Mitglied der Königsfamilie betäuben und per Flugzeug aus der Schweiz entführen. 2017 soll es sogar zur Entführung des libanesischen Premierministers gekommen sein. Die jetzige Ermordung des Journalisten Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul wäre niemandem aufgefallen, wenn türkische Behörden den Skandal nicht an die Öffentlichkeit gebracht hätten. Saudi-Arabien sitzt weiter im UN-Menschenrechtsrat - trotz verheerender Menschenrechtslage. 

Jamal Khashoggi (Bild: AP)
Jamal Khashoggi

Die renommierte „Neue Zürcher Zeitung“ listete Beispiele auf:

  • Ein 17-Jähriger wurde in Einzelhaft gesperrt, gefoltert und zum Tode verurteilt, weil er gegen das Königshaus demonstriert hat.
  • Ein Damenschneider wurde von der saudischen Polizei zu Tode geprügelt, weil er Frauenkleider getragen hat.
  • Ein Blogger wurde zu 10 Jahren Haft, 1000 Peitschenhieben und 194.000 Euro Strafe verurteilt, weil er im Internet Religionsfreiheit gefordert hat. Er sitzt mit 30 Häftlingen in einer Zelle, die nur 20 Quadratmeter groß ist.
  • Ein Journalist erhielt sieben Jahre Haft, weil er für Frauenrechte geworben hat.
  • „Möge Gott ihre Herzen zusammenbringen - für das Wohl der Menschen“, twitterte ein Imam, um für Frieden mit Katar zu werben. Er sitzt seit einem Jahr in Haft. Der Staatsanwalt fordert die Todesstrafe.

Westen wird Sonderstellung Saudi-Arabiens auch nach Khashoggi-Mord nicht in Frage stellen
Die USA haben Ölreserven und Militärstützpunkte in Saudi-Arabien. Erst im April haben sie den Saudis Artillerie-Systeme für 1,31 Milliarden Dollar verkauft. Briten, Franzosen, Deutsche, Italiener und Spanier sind nach den USA die größten Waffenlieferanten.

Mohammed bin Salman und US-Präsident Donald Trump (Bild: AP)
Mohammed bin Salman und US-Präsident Donald Trump

Der Westen heuchelt wegen Khashoggi, wird aber die Sonderstellung Saudi-Arabiens nicht in Frage stellen. Wie sagte Nahost-Experte Peter Scholl-Latour: „Mit den Waffenlieferungen schneiden wir uns ins eigene Fleisch. Die ganzen Hassprediger, die wir haben, kommen aus Saudi-Arabien, die sind dort ausgebildet worden, und das ist die fünfte Kolonne, die wir bei uns haben.“

Tassilo Wallentin, Kronen Zeitung

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