Geheimschrift, Satellitenkommunikation und tote Briefkästen: Deutlich länger als Oberst Alfred Redl belieferte ein jetzt aufgeflogener Offizier (70) Russland mit Informationen aus dem Bundesheer. Er erhielt dafür 300.000 Euro.
„Ja, es gibt diesen außergewöhnlichen Fall. Wir sind sehr glücklich darüber, dass dieser Tatverdächtige jetzt ausgeforscht ist“, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministerium am Donnerstagabend auf Anfrage der „Krone“ den spektakulären Spionage-Thriller in Österreichs Armee.
Nach den ersten Informationen aus Ermittlerkreisen könnte der vom Salzburger Oberst (70) verursachte Schaden noch größer sein als jener durch die berühmt-berüchtigte Affäre des bekannten k.u.k.-Oberst Alfred Redl (siehe unten): Der Offizier begann seine Spionagetätigkeit bereits in den 90er-Jahren, er war demnach etwa 20 Jahre für Russlands militärischen Geheimdienst aktiv.
Russen wollten alles über Jets und Migration wissen
Der Tatverdächtige ging äußerst professionell vor: Er hatte eine extrem unauffällige Tätigkeit in einer Leitstelle des Heeres. Alle zwei Wochen hielt er Kontakt zu seinem russischen Kontaktmann ,Juri’. Die Aufträge für seinen Nebenjob erhielt der Oberst über einen Weltempfänger, seine Nachrichten verfasste er in einer Geheimschrift oder gab die Infos per Satellitenkommunikation direkt an die Russen durch.
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Modernen „Redl“ mit 300.000 Euro belohnt
Das Interesse von Putins Spionen an Österreichs Bundesheer war groß, erfuhr die Gegenspionage bei den Ermittlungen: Der Offizier sollte möglichst viele vertrauliche Fakten über Österreichs Luftwaffe, die Artilleriesysteme sowie über Lagebriefings übermitteln. Kurz vor seinem Auffliegen lieferte der Oberst auch Berichte über die Migrationssituation in Österreich und erstellte detaillierte Persönlichkeitsprofile vieler hochrangiger Offiziere.
„Als die Russen Infos über ein mögliches Auffliegen ihres Spions bekommen haben, erhielt dieser den Auftrag, sämtliches belastendes Material noch zu vernichten. Unsere Leute konnten das verhindern“, stellten die Experten des Heeres-Abwehramts auch Laptops sicher, deren Auswertung noch läuft. Den entscheidenden Tipp zur Ausforschung des modernen „Oberst Redl“ gab übrigens ein befreundeter ausländischer Dienst.
Der nun bereits pensionierte Offizier wurde wegen § 319 Strafgesetzbuch - Unterstützung eines militärischen Nachrichtendienstes für einen fremden Staat - bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Dem Verdächtigen, der von den Russen mehr als 300.000 Euro für seine Tätigkeit erhalten haben soll, drohen maximal zwei Jahre Haft.
Spionage bei Neutralen „absolut inakzeptabel“
Sichergestellte Dokumente zeigen, dass der Oberst bereits 2006 versucht hat, aus der Spionagetätigkeit auszusteigen - aber das ließ der russische Dienst nicht zu. „Diese Spionagetätigkeit gegen ein neutrales Land ist absolut inakzeptabel“, sagte Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) in einer ersten Reaktion. Er wird bereits am Freitag den russischen Militärattaché zu sich ins Ministerium zitieren.
Dieser Spionagefall kann Österreichs Beziehungen zu Russland nachhaltig belasten, es ist ein schwerwiegender Vertrauensverlust. Russlands Präsident Wladimir Putin sollte zur Wiedergutmachung mehr bieten als einen Hochzeitstanz.
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