Nach vier Jahrzehnten
Der fast ewige Horst Seehofer ist bald Geschichte
Seine eigene Erklärung will Horst Seehofer erst im Lauf der Woche abgeben, doch aus seiner CSU ist am Sonntag durchgedrungen, dass der 69-Jährige zu Beginn des nächsten Jahres als Parteichef und in der Folge auch als deutscher Innenminister abtreten will. Damit endet eine politische Laufbahn, die mit ihrer Fülle an Ämtern wohl beispiellos in Deutschland sein dürfte - die aber gerade in jüngster Zeit für viele Reibereien stand.
Seehofer will Platz für eine Erneuerung in der CSU machen, wie er selbst sagte. Noch nach der Wahlpleite der CSU bei der bayrischen Landtagswahl vor einem Monat hatte er wenig selbstkritisch geklungen und betont, er wolle die „politische Familie“ der CSU zusammenhalten.
Kein genaues Datum genannt
Doch seither machten ihm so viele aus der „Familie“ klar, dass sie in ihm nicht mehr das Oberhaupt sehen, dass nun für den scheinbar ewigen Seehofer doch Schluss ist. So auch am Sonntag: Da machte Seehofer im CSU-Spitzenkreis zunächst keine Anstalten, seine Zukunft bald zu erläutern. Doch die Spitzenvertreter seiner Partei drängten ihn dazu.
Einen „typischen Seehofer“ hinterließ der 69-jährige Ingolstädter allerdings auch in seiner internen Rückzugsankündigung. Er nannte kein genaues Datum dafür. Wie Teilnehmer berichteten, habe er von Wochen gesprochen, nicht von Monaten. Die CSU-Spitzen hörten dann Jänner oder Februar heraus.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte den Innenminister zum sofortigen Rücktritt auf. Jeder Tag, an dem Seehofer im Amt bleibe, sei ein Tag zu viel, sagte sie dem „Tagesspiegel“. „Wenn es um die innere Sicherheit in unserem Land geht, darf es keine weitere Hängepartie geben.“
Fast 40 Jahre Berufspolitiker
Seehofer ist ein mit allen Wassern gewaschener Vollblutpolitiker und gewiefter Stratege mit jahrzehntelanger Erfahrung auch auf dem bundespolitischen Parkett. Zunächst schlug der 1949 in Ingolstadt geborene Sohn eines Lkw-Fahrers eine Verwaltungslaufbahn ein, 1971 trat der selbst ernannte „Erfahrungsjurist“ dann in die CSU ein. Neun Jahre später wurde er erstmals in den Bundestag gewählt und begann damit eine fast 40 Jahre währende Karriere als Berufspolitiker.
Von 1992 bis 1998 diente Seehofer als Gesundheitsminister unter Helmut Kohl (CDU), in der ersten großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war er Agrarminister. 2008 wurde Seehofer bayrischer Ministerpräsident, 2013 gewann er für die CSU die verlorene absolute Mehrheit zurück. Die Münchner Staatskanzlei verließ er im heurigen März auch auf Betreiben von Markus Söder, um nach Berlin zu gehen und den Weg für seinen Nachfolger in München freizumachen.
Größtes Ministerium aller Zeiten
Dafür ließ sich Seehofer das größte Ministerium auf den Leib schneidern, das es bei unseren Nachbarn je gab: Neben dem Inneren ist er für Bau und die noch im Aufbau befindliche Abteilung Heimat zuständig, Herr über acht - männliche - Staatssekretäre und rund 1500 Mitarbeiter.
Kritiker werfen ihm vor, er sei mit dem Mammuthaus überfordert. Im Juni kochte der Skandal um offenbar zahlreiche fehlerhafte Asylbescheide der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BaMF) hoch. Von viel Kritik begleitet war auch sein wochenlang unveröffentlichter „Masterplan“ zur Migration.
„Rücktritt vom Rücktritt“ nach Koalitionszwist
Im Frühsommer eskalierte dann der Streit zwischen Merkel und Seehofer über die Flüchtlingspolitik derart, dass sogar ein Bruch der jahrzehntealten Union aus CDU und CSU im Raum stand. Auf dem dramatischen Höhepunkt bot Seehofer seinen Rücktritt an, um dies wenig später wieder zurückzunehmen. Der „Rücktritt vom Rücktritt“ gilt als strategischer Fehler.
Wochenlang hielt dann der Streit um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und dessen Äußerungen zu den Ausschreitungen von Chemnitz das politische Berlin in Atem. Hier zeigte Seehofer, dass ihn womöglich sein politischer Instinkt verlassen hatte. Denn nachdem er wochenlang gegen alle Kritik zu Maaßen hielt, musste er ihn vergangene Woche doch entlassen - ein früher harter Schnitt hätte ihm viel Ärger auch innerhalb der CSU erspart.
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