„El Chapo“-Prozess

Einst mächtigster Drogenboss der Welt vor Gericht

Ausland
14.11.2018 08:30

Fast zwei Jahre hat „El Chapo“ im Hochsicherheitsgefängnis in New York darauf gewartet, jetzt ist der Prozess gegen den Drogenboss und Ausbrecherkönig gestartet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm einen „blutigen Krieg“ vor - die Verteidigung stellt alles ganz anders dar.

Mit einem „blutigen Krieg“ hat Joaquin „El Chapo“ Guzman nach Ansicht der Staatsanwaltschaft über Jahrzehnte ein „riesiges Drogenschmuggel-Imperium“ verteidigt. Hunderte Menschen seien in dieses Kartell verwickelt gewesen, aber Guzman sei ein Chef gewesen, der die Dinge auch selbst in die Hand genommen habe, sagte Staatsanwalt Adam Fels am Dienstag (Ortszeit) vor Gericht in New York in seinem Eröffnungsplädoyer zum Auftakt des Mammutprozesses gegen den einst mächtigsten Drogenboss der Welt.

Ein Gerichtszeichner verfolgte den Prozess gegen den 61-jährigen „El Chapo“ in New York. (Bild: APA/AFP/Don EMMERT)
Ein Gerichtszeichner verfolgte den Prozess gegen den 61-jährigen „El Chapo“ in New York.
(Bild: AP/Elizabeth Williams)

Die US-Justiz wirft dem wegen seiner Körpergröße von nur etwas mehr als 1,60 Metern „El Chapo“ (Der Kurze) genannten Guzman unter anderem Drogenhandel, Geldwäsche und das Führen einer kriminellen Organisation - des mexikanischen Drogenkartells Sinaloa - vor. Er soll tonnenweise Kokain und Heroin in die USA geschmuggelt und damit Milliarden verdient haben. Zudem soll er für bis zu 3000 Morde verantwortlich sein.

Der frühere Drogenboss Joaquin „El Chapo“ Guzman (Bild: AP)
Der frühere Drogenboss Joaquin „El Chapo“ Guzman

Wenn „El Chapo“ jemanden loswerden wollte, habe er Auftragskiller gebeten oder selbst geschossen, sagte Staatsanwalt Fels weiter. Die US-Regierung habe so viel Kokain von Guzmans Imperium beschlagnahmt, dass sie theoretisch jedem US-Bürger - mehr als 300 Millionen Menschen - eine Prise abgeben könnte.

„Vorwürfe sind nicht wahr“
 
Die Verteidigung wies die Vorwürfe zurück. Guzman werde als der größte Drogenhändler der Weltgeschichte dargestellt, aber das sei „nicht wahr“, sagte Anwalt Jeffrey Lichtman. Sein Klient habe das Scheinwerferlicht genossen, in Wirklichkeit aber „gar nichts kontrolliert“. Der eigentliche Boss des Kartells sei Guzmans früherer Partner Ismael „El Mayo“ Zambada gewesen, dieser habe auch früheren und dem derzeitigen Präsidenten Mexikos Schmiergeld in Millionenhöhe bezahlt, damit sich diese nicht in die Geschäfte des Kartells einmischten.

„El Chapo“ bei seiner Verhaftung im Jahr 2016 (Bild: AP)
„El Chapo“ bei seiner Verhaftung im Jahr 2016

Mexikos Präsident Enrique Pena Nieto wies die Vorwürfe umgehend zurück. „Die Regierung hat den Kriminellen Joaquin Guzman verfolgt, gefasst und ausgeliefert. Die Behauptungen seines Anwalts sind komplett falsch und diffamierend“, schrieb der mexikanische Regierungssprecher Eduardo Sanchez auf Twitter. Auch Mexikos Ex-Präsident Felipe Calderon wies die Anschuldigungen zurück. „Weder er noch das Sinaloa-Kartell noch irgendjemand anderes hat Zahlungen an mich geleistet“, schrieb er auf Twitter.

Ehefrau bei Prozessauftakt dabei
 Guzman verfolgte den Prozessauftakt mit spanischer Simultanübersetzung im Ohr und stoischem Gesichtsausdruck von der Anklagebank aus, gekleidet in einen dunkelblauen Anzug. Seine Ehefrau, die frühere Schönheitskönigin Emma Coronel, war ebenfalls in den Gerichtssaal gekommen. Richter Brian Cogan hatte Guzman zuvor untersagt, sie zu umarmen.

Emma Coronel im Gerichtssaal (Bild: AP)
Emma Coronel im Gerichtssaal
Emma Coronel (Bildmitte), die Frau von „El Chapo“ (Bild: AP)
Emma Coronel (Bildmitte), die Frau von „El Chapo“

Der Prozess gegen „El Chapo“ hatte am Dienstag unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen im New Yorker Stadtteil Brooklyn begonnen. Bei strömendem Regen hatten sich schon am frühen Morgen Dutzende Reporter und Schaulustige vor dem Gericht angestellt, um einen Platz im Saal zu bekommen. Die Eröffnungsplädoyers hatten sich zunächst verzögert, weil zwei der in der vergangenen Woche ausgewählten zwölf Jury-Mitglieder ausgetauscht werden mussten. Eine Frau hatte in einem Brief an den Richter geschrieben, sie sei zu nervös, um an dem Prozess teilzunehmen. Ein anderes Jury-Mitglied hatte angegeben, selbstständig zu arbeiten, der Verdienstausfall während der Prozesszeit sei zu hoch. Die Jury-Mitglieder sollen auf Anordnung des Richters zu ihrer eigenen Sicherheit anonym bleiben.

(Bild: AFP)

Urteil in mehreren Monaten erwartet
 Bis zu einem Urteil kann es nach Einschätzung von Richter Cogan noch mehrere Monate dauern. Bei einer Verurteilung droht Guzman eine lebenslange Haftstrafe. Die Todesstrafe ist gemäß einer Einigung zwischen Mexiko und den USA ausgeschlossen.

Seit seiner Auslieferung an die USA im Jänner 2017 sitzt Guzman in einem Hochsicherheitsgefängnis in Manhattan. In Mexiko waren dem Drogenboss zuvor mehrfach spektakuläre Gefängnisausbrüche gelungen.

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