Landesweite Proteste
Macron im Visier: Demo-Chaos in Frankreich
Ausnahmezustand in der Grande Nation: Mehr als 280.000 Menschen sind am Samstag in ganz Frankreich auf die Straßen gegangen (siehe auch Video oben), um gegen die geplante Erhöhung der Steuern auf Diesel und Benzin zu protestieren. Im ganzen Land gab es wegen der rund 2000 Demos und Protestaktionen schwere Verkehrsbehinderungen, Staus und andere Zwischenfälle. Die vorläufige Bilanz: eine tote Aktivistin, rund 230 Verletzte - einige schwer - und Dutzende Festnahmen. Doch die Wut der Menschen geht über Verkehrsthemen hinaus.
Sie nennen sich die „Gilets Jaunes“ (Gelbe Westen), in Anspielung auf die Warnwesten, die auch in Frankreich jeder Autofahrer dabeihaben muss. Sie hielten den Verkehr auf, riegelten Zugangswege ab oder fuhren in Motorradkolonnen bewusst langsam. Mehr als 2000 Protestaktionen gab es offiziellen Angaben zufolge. Immer wieder versuchten Lenker dabei, ihre Wagen durch Straßenblockaden zu steuern.
Schon im Voraus waren Frankreichs Behörden alarmiert gewesen, da das Ausmaß der dezentral organisierten Proteste schwer einzuschätzen war - genau wie die damit einhergehenden Gefahren. 3000 zusätzliche Sicherheitskräfte waren im Einsatz.
Autolenkerin in Panik überfuhr Aktivistin
Gleich zu Beginn des Tages schienen sich die schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten: Nördlich von Grenoble geriet eine Autofahrerin in Panik, als an einer Straßenblockade Demonstranten auf ihr Autodach trommelten. Sie gab Gas und überfuhr eine Teilnehmerin der Protestaktion, die kurz darauf starb.
Auch im Norden Frankreichs kam es zu einem schweren Unfall. Ein Demonstrant wurde in Arras auf einem Kreisverkehr umgefahren und kam schwer verletzt ins Krankenhaus. In Grasse in Süden des Landes versuchte ein Autofahrer eine Straßensperre zu durchbrechen und fuhr dabei einen Polizisten um. Der Beamte erlitt leichte Verletzungen, der Fahrer wurde festgenommen (siehe Video unten).
Überall im Land gab es Verkehrsbehinderungen. Auf ganzen Autobahnabschnitten ging kaum noch etwas, weil die Demonstranten immer nur einzelne Fahrzeuge durchließen. Auch auf dem Prachtboulevard Champs-Elysees in Paris kam am Nachmittag der Verkehr zum Erliegen. Vor dem Tunnel du Mont-Blanc setzte die Polizei sogar Tränengas ein, um eine Blockade aufzulösen.
Spritpreise und Tempolimit sorgen für Ärger
Die Proteste richten sich gegen die gestiegenen Spritpreise. Ein Liter Super kostete laut der Tageszeitung „Liberation“ im November in Frankreich durchschnittlich 1,53 Euro - 27 Cent mehr als noch vor acht Jahren. Der Preis für Diesel stieg im selben Zeitraum um 44 Cent auf durchschnittlich 1,51 Euro. Seit Jahresbeginn sind die Steuern für Diesel bereits um 7,6 Cent pro Liter gestiegen, für Benzin um 3,9 Cent. Eine weitere Anhebung ist für 2019 geplant.
Für viele Beobachter ist dies jedoch nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Schon im Sommer gab es Proteste gegen ein neu eingeführtes Tempolimit auf Landstraßen: Statt 90 Kilometer pro Stunde sind seitdem auf Landstraßen nur noch 80 erlaubt. Vor allem in den ländlichen Regionen ist der Unmut groß.
Auch höherer Mindestlohn gefordert
Doch die Wut geht über Verkehrsthemen hinaus. Vermehrt ist auch die Forderung nach einem höheren Mindestlohn sowie niedrigeren Gehalt für Politiker zu hören. Ein Demonstrant, der sich an einer Blockade der Autobahn 7 bei Avignon beteiligt, sagte dem Sender BFMTV, er müsse ab der Monatsmitte beim Einkaufen stets rechnen, damit ihm das Geld nicht ausgehe. „Frankreich ist sauer, und das hier war noch lange nicht alles.“
Präsident Macron im Visier: „Hau ab!“
Nicht wenige „Gelbe Westen“ attackieren auch Präsident Emmanuel Macron persönlich, dessen Politik sie als Politik für die Reichen wahrnehmen. Immer wieder waren Schilder mit dem Konterfei Macrons und dem Schriftzug „Hau ab!“ zu sehen.
Der Präsident selbst versicherte, dass er den Ärger registriere - er warnte aber auch vor widersprüchlichen Forderungen nach mehr öffentlichen Jobs einerseits und weniger Steuern andererseits. Macron war bei den Wahlen 2017 mit dem Ziel angetreten, Frankreich grundlegend zu erneuern. Doch zahlreiche Reformprojekte und ungeschickte Äußerungen brachten ihm die Wut vieler Bürger ein. Seine Beliebtheitswerte stürzen immer weiter ab.
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