Politischer Tabubruch
CDU-Kanzlerbewerber stellt Asyl-Grundrecht infrage
CDU-Kanzlerbewerber Friedrich Merz hat offen das Grundrecht auf Asyl in Deutschland infrage gestellt und damit einen politischen Tabubruch begangen. „Wir kriegen kein europäisches Asylsystem hin, wenn wir dieses Grundrecht behalten“, gab Merz am Mittwoch auf einer CDU-Regionalkonferenz zu bedenken. Denn dann bleibe für jeden Flüchtling, der nach Deutschland kommen wolle, jenseits aller europäischen Lösungen noch immer das Individualgrundrecht auf Asyl. Zudem übte Merz Kritik am umstrittenen UNO-Migrationspakt.
„Ich bin schon seit langer Zeit der Meinung, dass wir bereit sein müssten, über dieses Asyl-Grundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbestehen kann, wenn wir ernsthaft eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik wollen“, so Merz. Es gehe nicht, dass alles europäisch geregelt werde „und es dann immer noch ein Individualgrundrecht auf Asyl in einem Mitgliedsstaat der EU gibt, nämlich der Bundesrepublik Deutschland“.
Deutschland einziges Land, wo Asyl-Individualrecht in Verfassung steht
Wenn man eine europäische Lösung wolle, müsse in Deutschland auch eine große öffentliche Diskussion darüber geführt werden, einen Gesetzesvorbehalt in das Grundgesetz hineinzuschreiben, „dass dieses Grundrecht auf Asyl auch unter dem Vorbehalt europäischer gemeinsamer Regeln steht“, sagte Merz. Deutschland sei das einzige Land der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in der Verfassung stehen habe, sagte Merz auf der dritten CDU-Regionalkonferenz im thüringischen Seebach bei Eisenach.
„Klimawandel darf nicht als Asylgrund gelten“
Der frühere Unionsfraktionschef verlangte zudem eine Klarstellung, dass durch den geplanten UNO-Migrationspakt keine neuen Asylgründe geschaffen werden. Das müsse in „geeigneter Weise klargestellt werden“, sagte er und schlug dafür eine Protokollerklärung der Bundesregierung oder eine Entschließung des Bundestags vor. Zum Beispiel dürfe der Klimawandel nicht als politische Verfolgung und damit als Asylgrund gelten. „Das sind Dinge, die wir in Deutschland auch durch die Hintertür nicht akzeptieren können.“
Der umstrittene Pakt, gegen den sich in mehreren Ländern teils vehementer Widerstand regt, soll am 10. und 11. Dezember in Marokko angenommen werden. Merz stellte sich damit klar gegen CDU-Kanzlerin Angela Merkel, die derzeit vehement für den Pakt wirbt.
Merz-Konkurrent Spahn gegen Debatte über Asyl-Grundrecht
Gesundheitsminister Jens Spahn, Konkurrent von Merz im Rennen um den CDU-Vorsitz und wohl auch um den Kanzlerposten, hält hingegen eine Debatte über das Asylrecht im Grundgesetz nicht für das Entscheidende. „Im Kern ist das nicht die große Herausforderung bei der Migration“, sagte Spahn am Donnerstag gegeüber dem MDR. „Das eigentliche Thema ist, wie wir die EU-Außengrenze sichern.“ Wenn jeder Europa erreichen könne, stimme etwas nicht. Man brauche einen europäischen Grenzschutz, der an der Grenze diejenigen abweise, die keine Flüchtlinge seien.
Pro Asyl kritisiert Merz für Aussagen zum Asylrecht
Die Organisation Pro Asyl kritisierte Merz für seine Aussagen zum Asylrecht scharf. Die Union dürfe nicht die „Parolen und Zerrbilder der extremen Rechten“ übernehmen und damit die Fundamente des Rechtsstaates untergraben, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günther Burkhardt. Er warf Merz vor, „im Heuhaufen ahnungslos tuend zu zündeln“.
Zustimmung bekam Merz hingegen von dem CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber sowie Sachsen-Anhalts Innenminister und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht. Merz stelle ja nicht das Grundrecht auf Asyl infrage, sondern das individuelle Grundrecht auf Asyl, sagte Ferber dem RBB-Inforadio. Es sei tatsächlich eine Besonderheit, dass in Deutschland Asylwerber aus sicheren Drittstaaten nicht pauschal abgelehnt werden könnten, sondern jeder Fall einzeln geprüft werde.
Asylanträge: Große Koalition will BAMF entlasten
Auch andernorts ist das Asylrecht in Deutschland momentan Thema. Die große Koalition will einem Bericht zufolge das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durch eine vorübergehende Änderung des Asylrechts entlasten. Das teilte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Donnerstag mit. Demnach soll die Frist zur routinemäßigen Überprüfung positiver Asylbescheide auf Wunsch des BAMF wohl von drei auf fünf Jahre verlängert werden - zumindest für jene Flüchtlinge, die 2015 und 2016 einen Asylantrag gestellt haben, als besonders viele Migranten nach Deutschland kamen.
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