Resistent gegen HIV

Erste Babys mit Designer-Genen in China geboren

Wissenschaft
26.11.2018 11:13

Laut Angaben von chinesischen Forschern sind weltweit erstmals Babys nach einer Genmanipulation zur Welt gekommen. „Zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt“, erklärte der Biotechnologe He Jiankui in einem am Sonntag auf YouTube verbreiteten Video (siehe oben). International werden solche Versuche überwiegend abgelehnt.

Demnach hatte der an Embryonen vorgenommene Eingriff mit einer molekulare Genschere namens CRISPR/Cas9 das Ziel, die Kinder resistent gegen HIV zu machen. Eine geprüfte wissenschaftliche Veröffentlichung zu der Behauptung des Wissenschaftlers Jiankui He von der South University of Science and Technology of China in Shenzhen gibt es noch nicht, sondern lediglich einen Eintrag in einem chinesischen Register für klinische Tests.

Mit Genschere mutiertes Gen eingefügt
 
Bei dem Eingriff mithilfe von CRISPR/Cas9 reproduzierten die Forscher eine natürliche Mutation eines Gens namens CCR5, die von mehr als 100 Millionen Menschen vorwiegend europäischer Herkunft geteilt wird und die dank dieser praktisch resistent gegen eine HIV-Infektion sind. Damit sei auf der Ebene der befruchteten Eizellen jenes „Tor“ entfernt worden, über das Aids-Viren in Zellen gelangen können, erklärt He im Video. Gibt es nämlich auf Zellen keine CCR5-Strukturen, sind sie HIV-resistent.

(Bild: stock.adobe.com, krone.at-Grafik)

Kritiker: „Spätfolgen sind noch unabsehbar“
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Erklärung des chinesischen Wissenschafters setzte international heftige Kritik ein. „Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche“, sagte Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, zu der Verkündung. „Ob es stimmt oder nicht, was der chinesische Forscher He behauptet: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind solche Versuche und auch Ankündigungen auf Schärfste zu kritisieren.“ Laut nahezu einhelliger Einschätzung sei die Grundlagenforschung noch weit entfernt vom Einsatz beim Menschen. „Die Neben- und Spätfolgen sind noch unabsehbar und schwer zu kontrollieren“, gibt Dabrock zu bedenken.

Experte: „Das hat man nicht im Griff“
Auch Markus Hengstschläger, der Leiter des Instituts für Medizinische Genetik der MedUni Wien, sieht den Eingriff mit der CRISPR/Cas9-Methode kritisch: „Damit kann es zu (genetischen; Anm.) Effekten abseits des eigentlichen Ziels kommen. Das kann fatal enden. Das hat man nicht im Griff. Darüber hinaus ist das ein Eingriff in die Evolution. Wir verändern den Menschen. Das holen wir nicht mehr zurück.“ Das menschliche Genom habe sich über Millionen von Jahren im Laufe der Entwicklung des Homo sapiens als Interaktion zwischen Genetik und Umwelt langsam entwickelt. Bei solchen Versuchen haben wir aber keine Ahnung, was da herauskommt. Zurückdrehen können wir das nicht mehr. Eine Folgenabschätzung ist unmöglich."

Markus Hengstschläger (Bild: Reinhard Holl)
Markus Hengstschläger

Auch eine der beiden Entwicklerinnen der Genschere CRISPR/Cas9, die US-Forscherin Jennifer Doudna, hat die Keimbahnmanipulation in China kritisiert. „Wenn sich das bestätigt, stellt diese Arbeit einen Bruch mit dem zurückhaltenden und transparenten Vorgehen der globalen Wissenschaftsgemeinde bei der Anwendung von CRISPR/Cas9 zum Editieren der menschlichen Keimbahn dar“, sagte Doudna in Hongkong. Es sei dringend erforderlich, der Genmanipulation bei Embryos klare Grenzen zu setzen.

Solche Eingriffe sind in Österreich verboten
In Österreich wären solche Eingriffe, so wie in den meisten Staaten der Erde, zum Beispiel auch in den USA, verboten. Erlaubt hingegen wäre die Entwicklung von Methoden, um mit CRISPR/Cas9 Krankheiten ohne Eingriff in die Keimbahn zu behandeln, die bestimmte Organe oder Gewebe betreffen.

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