Weil er vor sechs Jahren einen Kulturwissenschaftler auf offener Straße brutal zusammengeschlagen haben soll, hat sich ein 24-jähriger Rumäne am Montag im Wiener Landesgericht verantworten müssen. Während das Opfer für immer unter irreparablen Schäden leiden wird, geht für den Angeklagten das Leben weiter. Er wurde freigesprochen. Der Freispruch erging erdenklich knapp: Vier der acht Geschworenen ließen sich von dem Rumänen, der sich für „nicht schuldig“ bekannt hatte, überzeugen.
Wäre nur ein Laienrichter mehr Staatsanwältin Anja Oberkofler gefolgt, hätte dem 24-Jährigen eine Freiheitsstrafe zwischen zehn und 20 Jahren für den inkriminierten versuchten schweren Raub mit Dauerfolgen geblüht. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Anklagevertreterin gab bislang keine Erklärung ab.
Am Weg zu Vorstellungsgespräch überfallen
Der damals 31 Jahre alter Wissenschaftler war am 10. Dezember 2012 auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch von zwei Tätern beim Überqueren der Straße angegriffen worden. Er kassierte an einer Kreuzung von einem entgegenkommenden Mann einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Als er sich nach seiner Brille bücken wollte, die ihm der Angreifer vom Gesicht geschlagen hatte, riss dieser ihm den rechten Arm in die Höhe, während ihm sein Komplize mit dem Fuß auf die Schulter trat. Beide Männer griffen ihrem wehrlosen Opfer dann in die Mantel- bzw. Gesäßtasche, um an dessen Geldbörse zu gelangen.
Ein Passant wurde aufgrund der Hilferufe aufmerksam und griff ein, was letztlich die Räuber in die Flucht schlug. Zuvor gelang es dem Zeugen noch, einem mit einem Anorak bekleideten Kriminellen die Kapuze von der Jacke zu reißen. Aufgrund dieses Beweismittels konnte ein damals 18 Jahre alter Bursch ausgeforscht werden, der sich nun vor einem Schwurgericht zu verantworten hatte.
DNA-Spuren auf Kapuze sichergestellt
An der Innenseite der Kapuze fanden sich DNA-Spuren, die dem inzwischen 24-jährigen Rumänen zugeordnet werden konnten. „Der DNA-Treffer ist eindeutig“, stellte die Staatsanwältin fest. Der DNA-Experte Martin Steinlechner musste allerdings einräumen, die Darstellung des Angeklagten sei nicht völlig auszuschließen. Dieser hatte zuvor behauptet, er habe die Anorak-Jacke zwar besessen, diese aber abgelegt, als sie zu waschen gewesen wäre. Er selbst habe mit der Straftat nichts zu tun, jemand müsse das Kleidungsstück an sich genommen, angezogen und damit das Verbrechen begangen haben. „Diese Variante ist unwahrscheinlich, man kann sie aber nicht ausschließen“, sagte Steinlechner.
„Ich habe nie in meinem Leben einen Raub begangen“, beteuerte der Angeklagte, der derzeit als Hausmeister in Wien beschäftigt ist. Im Tatzeitraum sei er obdachlos gewesen und habe seine Bekleidung immer nur so lange getragen, bis sie verschmutzt war. Mangels einer Waschmöglichkeit habe er die Kleider dann „irgendwo liegen gelassen und neue gestohlen“, gab der Angeklagte zu Protokoll.
Am verfahrensgegenständlichen Verbrechen soll ein zweiter Rumäne beteiligt gewesen sein, der im Februar 2014 vom Wiener Landesgericht wegen fünffachen Raubes zu neun Jahren Haft verurteilt wurde. Eines der Opfer - ein betagter Mann - war an den Folgen der erlittenen Kopfverletzungen gestorben. Der Verurteilte wurde in weiterer Folge zur Strafverbüßung nach Rumänien abgeschoben, für die Wiener Justiz steht er daher vorerst nicht zur Verfügung.
Opfer benötigt künstliches Schultergelenk
Der überfallene Kulturwissenschaftler musste sich nach dem Verbrechen einer Schulteroperation unterziehen, da mehrere Sehnen und der Gelenkkopf schwer in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Der chirurgische Eingriff führte zu keiner nachhaltigen Besserung. Vermutlich wird dem 37-Jährigen daher in Kürze ein künstliches Schultergelenk eingesetzt.
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