Einbehaltene oder verzögerte Zahlungen, Kontosperrungen oder intransparente Kündigungen: Die Liste von Vorwürfen gegen den Internetriesen Amazon ist lang. Nun hat das deutsche Bundeskartellamt nach massiven Beschwerden ein Missbrauchsverfahren gegen Amazon eingeleitet.
Konkret geht es um das Verhalten gegenüber Händlern auf dem Marktplatz von amazon.de. Dabei seien mögliche missbräuchliche Geschäftspraktiken auf dem Prüfstand, teilte das Bundeskartellamt am Donnerstag mit. „Amazon ist selbst der größte Online-Händler und das Unternehmen betreibt den mit Abstand größten Online-Marktplatz in Deutschland“, sagte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, in Bonn. Viele Händler und Hersteller seien beim Vertrieb im Internet auf die Reichweite des Amazon-Marktplatzes angewiesen.
Doppelrolle ausgenutzt?
Das Kartellamt prüft nun, ob Amazon seine Doppelrolle zulasten der Marktplatz-Händler ausnutzt. Ziel sei es, die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern umfassend zu untersuchen, hieß es. Dazu zählen Haftungsregeln zulasten der Händler, intransparente Kündigungen und Sperrungen von Konten sowie einbehaltene oder verzögerte Zahlungen.
Voraussetzung für die kartellrechtlichen Ermittlungen sei unter anderem eine marktbeherrschende Position des Internet-Konzerns in Deutschland und die Tatsache, dass die Händler von Amazon abhängig seien. „Für beides liegen Anhaltspunkte vor“, hieß es in der Mitteilung.
Amazon verweist auf Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen
Amazon mit Deutschlandsitz in München erklärte, die Hälfte aller weltweit bei dem Internet-Händler verkauften Produkte komme von kleinen und mittleren Unternehmen. Dadurch könnten die Firmen Hunderte von Millionen Kunden weltweit erreichen und mit großen Handelsmarken konkurrieren. Amazon werde ferner „vollumfänglich mit dem Bundeskartellamt kooperieren und weiterhin daran arbeiten, kleine und mittlere Unternehmen in ihrem Wachstum zu unterstützen.“
Händler in der Zwickmühle
„Grundsätzlich können Händler auch ihren eigenen Shop haben. Das Problem ist nur, dass man heutzutage gar nicht gefunden wird“, beschreibt Kartellamtssprecher Kai Weidner das Problem. Damit sei Amazon mittlerweile zu einer Art „Nadelöhr“ für kleine Internet-Händler geworden. Doch die Wettbewerbshüter stehen erst am Anfang ihrer Ermittlungen. Nach Einschätzung von Beobachtern können sich solche Verfahren über Jahre hinziehen.
Beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel weist Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer auf die Zwickmühle vieler Online-Händler hin. „Der Vorteil am Marktplatz ist, es gibt keine Marketingkosten“, sagte er. Im Gegenzug müssen die Händler jedoch oft hohe Provisionen bezahlen. Wie der Beispielrechner auf der Amazon-Webseite zeigt, liegen die Gebühren für Verkauf und Versand oft bei mehr als zehn Prozent des Verkaufspreises.
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