Jeden Tag denke ich daran, obwohl ich kaum wahrhaben kann, dass das schon 25 Jahre her ist. Die „Steirerkrone“ erwischte Dagmar Koller Mittwochnachmittag telefonisch in ihrer Wiener Wohnung, wo sie auf die Anlieferung neuer Vorhänge wartet. „Wenn Sie es sehen könnten: Dort, wo jetzt ein Glassessel steht, da ist der Helmut damals am Boden gesessen. Alles war voller Blut.“ Damals war Sonntag, der 5. Dezember 1993, der Tag des Briefbombenanschlages.
Der 2008 verstorbene Helmut Zilk und seine Frau Dagmar Koller kamen per Flugzeug gerade von einem Termin aus der Schweiz retour, in Schwechat wartete bereits der Chauffeur mit dem Wagen - und der Post. „Waren Briefe an Helmut persönlich gerichtet, hat er sie auch immer selbst geöffnet“, erinnert sich Koller, „und er hat damals damit schon im Wagen begonnen.“
Zum Glück noch nicht im Wagen geöffnet hatte Zilk das Schreiben eines Ingenieurs namens Norbert Urban. Denn dann wäre der Personenschaden wohl noch weit größer gewesen. „Urban: Das war ein guter Name, mit fast adeligem Touch“, dachte sich Koller damals noch. Hinter diesem Pseudonym verbarg sich allerdings eine feige Gestalt namens Franz Fuchs. Seine Briefbombe zerfetzte letztlich die linke Hand des damaligen Bürgermeisters.
Arzt suchte nach Fingern
“Nach der Explosion in der Wohnung habe ich dem Helmut sofort ein Badetuch um die Hand gewickelt, da war so viel Blut. In der Aufregung habe ich mich nicht an die Nummer der Rettung erinnert, mir ist nur die eines befreundeten Arztes eingefallen. Der hat zwar zuerst nicht abgehoben, hat dann aber mitgehört, nachdem ich den Hörer nicht aufgelegt hatte.“ Dieser Arzt kam umgehend vorbei und sicherte auch die abgerissenen Finger von Zilk, die Hand blieb aber verstümmelt.
Hysterisches Aufwachen
Zilk präsentierte sie danach als Zeichen seiner ungebrochenen Kraft. „Mein Helmut war ein unglaublich starker Mann. Er hat sich so toll erholt, wir haben danach ein sehr, sehr gutes Leben gehabt und sind uns noch nähergekommen.“ Tief sitzt der Briefbombenanschlag bei Koller immer noch: „Ich mache meine Post nach wie vor nicht auf, das wird maschinell erledigt. Während mein Helmut damals fünf Monate im Spital war, hat meine Nichte bei uns gewohnt, weil ich in der Nacht oft hysterisch aufgewacht bin. Meine Arbeit und die Pflege haben geholfen, die Ereignisse zu verarbeiten. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich mir Hilfe suchen sollen. Ich kann bei solchen Ereignissen nur raten, dass man psychologische Hilfe in Anspruch nimmt.“
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