„Warum hat er Angst?“
Zirngast schreibt aus türkischer Haft über Erdogan
Der seit September in der Türkei inhaftierte österreichische Journalist Max Zirngast hat in einem Beitrag für die „Washington Post“ - Titel: „Warum hat Erdogan Angst vor Menschen wie mir?" - die Geschichte seiner Festnahme erzählt und seine Einschätzungen der Regierung beschrieben. „Meine Verhaftung war eine perverse Bestätigung des Autoritarismus, den ich in den vergangenen paar Jahren aufgezeichnet habe und gegen den ich aufgetreten bin“, so Zirngast.
Der Text mit dem Titel „Ich bin ein Journalist in einem türkischen Gefängnis. Warum hat Erdogan Angst vor Menschen wie mir?“ fasst Briefe des Steirers zusammen, die er nach Österreich an die Kampagne geschickt hat, die sich für seine Freilassung einsetzt. Darin kritisierte er auch die Haftbedingungen.
Nach wie vor keine Anklage erhoben
Zirngast befindet sich im Sincan-Gefängnis in Ankara. Anklage gegen ihn wurde nach wie vor nicht erhoben, wie der Student und Autor auch in der „Washington Post“ betonte. Der Verdacht gegen den Aktivisten lautet seinen Anwälten zufolge auf Mitgliedschaft in einer linksgerichteten „terroristischen Vereinigung“. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. „Sie nahmen davon Abstand, mich offiziell anzuklagen, stattdessen halten sie mich auf Basis vager Terrorwürfe fest“, schreibt Zirngast.
Gegenstand seiner Befragung durch den Staatsanwalt war laut Zirngast u.a. ein Artikel von ihm für das linke US-Magazin „Jacobin“. Darin solle er laut Vorwurf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben - was in der Türkei unter Strafe steht. Zahlreiche Verfahren laufen dazu etwa gegen Künstler, Satiriker oder Oppositionspolitiker. Hunderte ließ Erdogan selbst einleiten.
Für Aufsehen sorgte 2016 die Anzeige des deutschen Satirikers Jan Böhmermann wegen eines Schmähgedichts auf den Staatschef, was mangels Zugriffs der türkischen Justiz keine strafrechtlichen Folgen hatte.
Kein Glaube an Pressefreiheit und Menschenrechte
Sein Fall und die Fälle anderer in der Türkei inhaftierter Publizisten - laut Reporter ohne Grenzen sind es mehrere Dutzend - strafe die Ansicht, dass Erdogan in irgendeiner Weise an Pressfreiheit oder Menschenrechte glaube, Lügen. Dabei versuche Erdogan gerade rund um den Fall des im Oktober im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul getöteten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi ein solches Image zu pflegen, so Zirngast weiter in seinem Beitrag.
Zirngast prangert in der „Washington Post“ auch die Unterdrückung von Aktivisten, die für die Rechte der Kurden in der Türkei eintreten, sowie von Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch vom Sommer 2016 verantwortlich macht, an und spart auch hier nicht mit Kritik an dem Präsidenten.
„Mutwillige Repression ruft Zorn und Hoffnungslosigkeit hervor“
„Diese Art von mutwilliger Repression ruft nichts als Zorn und Hoffnungslosigkeit hervor“, analysiert Zirngast. Das, was in der Türkei derzeit unter „Terrorismus“ verstanden und unter diesem Vorwand niedergeschlagen werde, „wird nur noch mehr Erbitterung gegen das Regime hervorrufen in den kommenden Jahren“.
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