Dort, wo andere Notebooks die Tastatur haben, wartet Lenovos neues Yoga Book C930 mit einem per Stylus beschreibbaren E-Ink-Display auf, wie man es aus E-Book-Readern kennt. Für all jene, die viel mit handschriftlichen Notizen und langen PDF-Skripten arbeiten, klingt das in der Theorie ziemlich interessant. Im Praxistest zeigte sich allerdings: Richtig ausgereift ist die Idee noch nicht.
Vor rund zwei Jahren hat Lenovo mit einem ungewöhnlichen Notebook-Konzept für Aufruhr gesorgt: dem ersten Laptop mit Touch-Fläche statt Tastatur, die gleichzeitig als Behelfs-Keyboard und Zeichen-Tablet genutzt werden konnte. Anzeigen konnte man auf der Zeichenfläche damals noch nichts und auch softwaretechnisch war die Idee noch nicht optimal implementiert.
Zwei Jahre später versucht es der chinesische PC-Gigant nun mit einer neuen Version namens Yoga Book C930, die statt eines reinen Grafiktablets ein drucksensitives E-Ink-Display an Stelle der Tastatur spendiert bekommen hat. Auch beim Innenleben hat man nachgelegt und einen weit stärkeren Prozessor als im Vorläufer verbaut.
Das treibt auch den Preis in ganz andere Höhen. Bekam man das erste Yoga Book noch um rund 500 Euro, blättert man für die Neuauflage nun deutlich über 1000 Euro hin.
Welche Hardware man dafür bekommt, sehen Sie in der Leistungstabelle:
Lenovo Yoga Book C930 | |
CPU | Variante A: Core i5-7Y54: 2 x 1,2 GHz |
RAM | 4 GB (DDR3) |
Diagonale | 10,8 Zoll |
Auflösung | 2560 x 1600 Pixel |
Interner Speicher | 128 - 256 GB |
microSD-Slot | microSDXC |
Anschlüsse | 2x USB-C |
Funkstandards | Gigabit-WLAN, Bluetooth 4.2 |
Kamera | 2 Megapixel |
Akku | 4650 mAh |
Software | Windows 10 Home |
Maße | 261 x 179 x 9,9 Millimeter; 775 Gramm |
Extras | Metall-Chassis |
Straßenpreis | m3-Version: ab ca. 1200 Euro |
Starke Hardware, vor allem wenn man das sehr geringe Gewicht des Yoga Book C930 berücksichtigt. Für die tägliche Office-Arbeit ist man damit - wir haben die i5-Version getestet - bestens gerüstet. Der Leistungssprung wird umso deutlicher, wenn man das neue C930 mit dem zwei Jahre alten Vorläufer mit Atom-Prozessor vergleicht.
Die Leistung steigt allerdings gefühlt nicht so stark wie der Preis. Beim Multi-Tasking bemerkt man bisweilen, dass nur vier Gigabyte DDR3-RAM im Yoga Book C930 stecken. Und die CPU ist zwar gut genug für Office-Arbeit, für die Bild- oder gar Videobearbeitung ist sie aber dennoch nicht stark genug. Als primären Computer würden wir das Yoga Book C930 nicht verwenden wollen. Als Zweitgerät ist es dann aber wieder arg teuer, da war das Preisniveau des Vorgängers erträglicher.
E-Ink-Display nicht vernünftig ans System angebunden
Zumal der Produktivitätsgewinn durch das neue E-Ink-Display im Moment noch ein hypothetischer ist. Auf der Softwareseite ist die Spezial-Hardware nämlich mehr schlecht als recht an das Windows-10-Notebook angebunden, dessen Tastatur sie ist.
Notizen, die man auf das E-Ink-Display kritzelt, können lediglich als Bilddatei in Windows und Notiz-Apps wie Evernote oder OneNote importiert werden. Das ist umständlich, überdies sind Dateien als Bild nicht durchsuchbar. Da hat uns die OneNote-Anbindung des Vorgängermodells besser gefallen.
Ebenfalls nicht optimal funktioniert der umgekehrte Weg. Wer mag, kann den Bildschirminhalt auf das E-Ink-Display übertragen und dort mit Notizen versehen. Weil dabei ein Screenshot des Hauptbildschirms angefertigt und aufs E-Ink-Display übertragen wird, wird das aber schnell unübersichtlich.
Das Problem ist: Farben kann das Zweitdisplay nicht darstellen, wodurch bunte Browserfenster auf dem Zweitbildschirm unübersichtlich herüberkommen. Dass die Notiz-App am Zweitdisplay nicht einmal Notizen mit mehreren Seiten erlaubt, wodurch man für jede Kleinigkeit eine neue Notiz anlegen muss, ist ebenfalls nicht optimal gelöst.
Da ist es nur ein schwacher Trost, dass das Display als Touch-Tastatur eine durchaus brauchbare Figur macht - zumindest bei kürzeren Texten wie Mails. Vibrationen und optisches Feedback zeigen dabei an, ob man die gewünschte Taste getroffen hat. Für längere Texte halten wir die Touch-Tastatur aber nicht für besonders sinnvoll.
Kein tauglicher Ersatz für den E-Book-Reader
Als Ersatz für einen E-Book-Reader ist das Yoga Book C930 auch nicht wirklich geeignet. Das ist der Reader-Komponente am E-Ink-Display geschuldet, der profane Funktionen fehlen. Die Textgröße kann nicht modifiziert werden, manch ein populäres Format - etwa EPUB - wird nicht unterstützt, PDFs können nicht mit Markierungen versehen werden. Lenovo hat zwar angekündigt, „Anfang 2019“ mit einem Update nachzubessern. Zumindest bis dahin gilt aber: Hier wurde viel Potenzial verschenkt!
Hardware selbst wäre eigentlich überzeugend
Das ist doppelt schade, weil die Hardware an sich über weite Strecken wirklich liebenswert wäre. Das 10,8 Zoll große Display beispielsweise überzeugt durch hohe Schärfe und Blickwinkelstabilität beim Lesen und der Bildbetrachtung.
Das Alu-Chassis des Yoga Book C930 ist verwindungssteif und stabil. Das 360-Grad-Scharnier arbeitet zuverlässig. Der magnetische Schließmechanismus, der den Deckel durch Anklopfen öffnet, ist durchdacht. Der aktive Stylus bietet rund 4000 Druckstufen und gestattet eine präzise Bedienung.
Nur im Detail offenbart Lenovos Experimental-Notebook an der Hardwarefront Schwächen - etwa den nicht immer zuverlässig arbeitenden Fingerscanner oder die ungünstige Platzierung der Löschtaste am Eingabestift, die man immer mal wieder versehentlich erwischt. Trotzdem: Geht es rein nach Verarbeitungsqualität und Hardware, wäre das neue Yoga Book ein höchst interessantes Gerät.
Fazit: Am Ende nutzt die beste Hardware nichts, wenn es keine brauchbare Software dafür gibt. Und hier hat Lenovo beim Yoga Book C930 massiv geschlampt. Zum Start ist das E-Ink-Zweidisplay mehr Gimmick als nützliche Dreingabe für E-Book-Lektüre und Notizerstellung. Nichts von dem, was wir uns vom Gerät erhofft hätten, funktionierte im Test einwandfrei. Der misslungene E-Book-Support disqualifiziert es als Reader, die umständliche Anbindung an Windows und Notiz-Apps schmälert den Nutzen als Notizmaschine. Dass man mit dem halb so teuren Vorgänger in puncto Notizfunktion mehr anfangen konnte, legt nahe, dass Lenovo das Gerät zu früh veröffentlicht hat und sich noch Zeit für die Software hätte nehmen sollen. Die Idee, ein E-Ink-Display ans Notebook zu picken, hätte bei besserer Implementierung nämlich viel Potenzial.
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