Studien lassen keinen Zweifel: Was Konsumenten beim Einkaufen am meisten stört, sind Warteschlangen an der Kasse. Darum suchen immer mehr Einzelhändler nach Wegen, das Bezahlen zu beschleunigen. Das jüngste Beispiel ist die Elektronikkette Saturn in Deutschland. In ihrer größten Filiale in der Hamburger Innenstadt bietet sie neuerdings die Möglichkeit, die über 100.000 Produkte direkt am Regal zu bezahlen.
Abgebucht wird von der Kreditkarte oder über PayPal, später bezahlen die Kunden auch mit Google Pay oder Apple Pay.„Das Smartphone ist der Lebensmittelpunkt für viele Kunden“, sagt Martin Wild, Innovationschef bei MediaMarktSaturn. „Unsere Erfahrungen zeigen: Wer einmal mit dem Smartphone bezahlt hat, der macht es immer wieder.“ Saturn hat schon kleinere Tests in Innsbruck und München absolviert.
„Haben schon viel gelernt“
„Wir probieren, wir machen Fehler, aber wir haben schon viel gelernt.“ Der Anteil der Kunden, die das Smartphone zum Bezahlen nutze, werde sich immer weiter erhöhen. Gegenwärtig verliere der Einzelhandel in Europa rund 34 Mrd. Euro Umsatz, weil Kunden in der Warteschlange den Kauf abbrechen, davon allein 6,7 Milliarden Euro in Deutschland. Deshalb sei diese Innovation so wichtig.
Saturn sieht sich als Vorreiter, ist mit seiner Initiative aber nicht allein. Wer will, kann bei Ikea und vielen Lebensmittelhändlern seit Jahren seine Einkäufe an den Kassen selber scannen. „Das ist eher etwas für Kunden mit kleinem Einkauf“, sagt der Edeka-Kaufmann Falk Paschmann. „Es hat wenig Sinn, den Wochenendeinkauf selbst zu scannen. Da ist die Kassiererin schneller.“
Zahlen ohne Kassa als zusätzlicher Service am Kunden
Paschmann setzt in Mülheim an der Ruhr wie Saturn auf eine App die es dem Kunden erlaubt, die Ware mit dem eigenen Smartphone zu scannen. Der Kaufmann prüft gerade in einem seiner Supermärkte mit mehr als 100 Testkunden, wie gut das in einem Laden mit 45.000 verschiedenen Produkten funktioniert. Der erfahrene Händler sieht in dem Angebot einen zusätzlichen Service für die Kunden, keinen Ersatz für die herkömmlichen Kassen. „Einkaufen macht nicht jedem Spaß. Es gibt Kunden, die wollen nur so schnell wie möglich wieder aus dem Laden raus sein. Dass wollen wir mit dem Self-Scanning erleichtern.“
Bei der Supermarktkette Globus muss sich der Kunde mit seiner Kundenkarte anmelden und bekommt dann einen tragbaren Scanner, mit dem er seien Einkäufe aufnimmt. Am Ende kann an einer speziellen Kasse bezahlt werden, ohne dass die Ware noch einmal auf ein Laufband gelegt werden muss. Das Angebot werde gut angenommen und inzwischen in immer mehr Läden angeboten, heißt es bei Globus. Auch bei Saturn muss der Kunde noch zu einem Schalter, um die Ware freizuschalten und die Filiale unbehelligt zu verlassen. „Das ist noch nicht 100 Prozent perfekt“, sagte Innovationsmanager Wild. „Es ist aber schon ein ganz anderes Kassenerlebnis.“
„Amazon Go hat alle unter Druck gesetzt“
Die wachsenden Bemühungen, die Schlangen an den Kassen in den Griff zu bekommen, überraschen Horst Rüter vom Handelsforschungsinstitut EHI nicht. „Amazon Go hat alle unter Druck gesetzt, in diesem Bereich innovativer zu werden“, erklärt er den Trend. Der US-Internetgigant bietet in bisher sieben Läden in den USA die Möglichkeit, kassenlos einzukaufen und hat damit weltweit Schlagzeilen gemacht. Der Kunde muss sich am Eingang des Ladens mit einer App anmelden und kann dann die gewünschten Artikel einfach aus dem Regal nehmen und den Laden wieder verlassen - ohne umständliches Scannen der ausgewählten Artikel und ohne Umweg über die Kasse oder eine Mitarbeiter. Eine Vielzahl von Kameras und Sensoren sorgt dafür, dass die mitgenommenen Produkte korrekt in Rechnung gestellt werden.
Davon sind die Wettbewerber etwa auch in Deutschland noch weit entfernt. Denn egal ob bei Saturn, Globus oder Edeka Paschmann: Die Kunden müssen nicht nur die Produkte selbst scannen, beim Verlassen des Ladens müssen sie am Ende auch immer noch einen Stopp einlegen - entweder um zu bezahlen, oder um wie bei Saturn die Ware entsichern zu lassen. Wobei das Angebot in den Amazon Go-Läden vergleichsweise klein ist und die Übertragung des Modells auf einen echten Supermarkt mit Zehntausenden Produkten oder einen großen Elektronikshop selbst Amazon wohl noch einiges Kopfzerbrechen bereiten dürfte. „Das ist für einen großen Markt mit 18.000 Quadratmetern nicht machbar“, sagte Wild.
Ein weiteres Problem: Wenn der Kunde nicht in jedem Laden eine neue App verwenden will, müssen sich zumindest die größeren Handelsketten auf eine einheitliche Lösung verständigen. „Wir sind da offen“, sagte Wild. Bisher gebe es noch nicht genug Marktteilnehmer, die weit genug seien beim Bezahlen ohne Kasse.
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