Mit brandneuer EP

Myrkur: Zwischen Vorbild und Vogelscheuche

Musik
01.01.2019 19:11

Jahrelange musste sie Online-Hass über sich ergehen lassen, dennoch ging die dänische Künstlerin Amalie Bruun alias Myrkur ihren Weg beharrlich weiter. Aus einer Balletttänzerin und einem Neo-Popstar wurde die größte weibliche Hoffnung des Black Metal mit einer Passion zu nordischem Folk. Damit verkaufte sie unlängst auch die kleine Halle der Wiener Arena aus.

(Bild: kmm)

Die kleine Halle der Wiener Arena war bereits seit Wochen ausverkauft, der Hype scheint nicht abzureißen. Auf ihrer ersten Headliner-Tour riss die dänische Musikerin Myrkur ein weiteres Mal Grenzen ein und sorgte für persönliche Bestleistungen. Hinter dem mysteriösen Black/Folk-Metal-Projekt steckt die 33-jährige Dänin Amalie Bruun, die mit ihrem einzigartigen Werdegang die Geduld und Toleranz so mancher Genre-Extremisten auf die Probe stellte. Bevor sie vor gut vier Jahren mit ihrer ersten EP in den Schwarzmetall-Orbit eintrat, war sie bereits Balletttänzerin und Pop-Star bei ihrer damaligen Band Ex Cops. Auf einem Album des US-Rappers The Rugged Man steuerte sie Background-Vocals bei und schon lange bevor sie sich in harten Metalkreisen bewegte, wurden Indie-Medien wie „Pitchfork“ oder „Spin“ auf die zierliche Blondine aufmerksam.

(Bild: Christoph Kaltenböck/Bearded Buck Photo)

Hass ohne Grund
Diffamierende Meldungen aus allen Ecken begleiteten Bruun die ersten Jahre als Myrkur dauerhaft. Von einer Casting-Metallerin war da ebenso die Rede wie von der Zerstörerin einer ganzen Szene. Ungefiltert prasselten Abneigung und Hass auf die scheue Dänin ein, die erst lernen musste, mit dieser ungewohnten Lebenssituation richtig umzugehen. „Mittlerweile erinnere ich mich gar nicht mehr daran“, verrät sie der „Krone“ im Interview, „wenn du so einen Shitstorm einmal überstanden hast, hebt dich nichts mehr aus den Angeln. Man lernt sehr schnell, was virtuell und was echt ist. Natürlich hat mich das geärgert, wenn Menschen sich über mich das Maul zerrissen haben, ohne überhaupt zu wissen, was hinter Myrkur steckt. Ich wurde zu einem Hassobjekt, obwohl ich nichts gemacht habe, außer Musik. Ich frage mich, warum Menschen so sind. Nur weil mir Britney Spears‘ Musik nicht gefällt, würde ich sie niemals online anschwärzen.“

Für Metal-Puristen ist es unverständlich, wie sich jemand von einer derartigen stilistischen Ferne so in eine neue Musik transformieren konnte. Bruun ist dabei das beste Beispiel dafür, dass man sich in seiner musikalischen Erziehung und Entwicklung nicht limitieren muss, sondern kreativ nach neuen Ufern und Möglichkeiten sucht. Das Aufbrechen von Genres und Dogmen als essenzieller Bestandteil der persönlichen Evolution. Wobei sie im Black Metal sogar doppelte Authentizitätsprobleme hatte. Nicht nur, dass sie aus dem Pop-/Indie-Segment stammt - Bruun ist auch noch weiblich. Eine auf der Bühne eher seltene Spezies in dieser martialischen Subsparte. „Der Black Metal selbst vereint viele Frauen vor der Bühne, die Szene an sich ist durchaus feminin. Vielleicht liegt es an der Ausstrahlung und am eher basischen Sound.“ Auf der Bühne sieht die Sache naturgemäß anders aus. „Für die einen bin ich Vorbild, für die anderen Vogelscheuche“, lacht Bruun, „ich kriege von Frauen jedenfalls sehr viel positives Feedback. Es würde mich freuen, wenn ich andere Frauen durch Myrkur animieren könnte, auch aktiv auf die Bühne zu gehen.“

(Bild: Christoph Kaltenböck/Bearded Buck Photo)

Zwei Welten vereint
Musikalisch hat sich Myrkur längst einen Platz in der Szene gesichert und die beiden Alben „M“ (2015) und der Nachfolger „Mareridt“ (2017) wurden mit Kritikerlob überhäuft und vor allem in den USA und dem deutschsprachigen Raum wohlwollend zur Kenntnis genommen. Das Erfolgsrezept setzt sich aus harschem Black Metal, landesüblichen, entschlackten Folk-Elementen und der einzigartigen, teilweise mutig durch die Kompositionen irrlichternden Stimme der Frontfrau zusammen. Wie sehr sie den traditionellen Folk-Stücken Skandinaviens und Dänemarks verfallen war, bewies sie Anfang des Jahres auf einer dazugehörigen Tour - in Wien vermischt sie die beiden Welten, die seit geraumer Zeit ihr künstlerisches Leben beherrschen. „Mit Myrkur habe ich das perfekte Projekt gefunden, diese zwei Vorlieben zu verbinden. Bei mir klingt vieles bewusst alt und gestrig, aber im positiven Sinne. Es klingt nach einer Zeit, die wir heute nicht mehr erleben dürfen.“

Die dichte Atmosphäre und ihre Liebe zur Naturbelassenheit hat die Künstlerin schon in der Kindheit wie ein Schwamm aufgesogen. „Mein Vater ist Musiker und meine Mutter Psychologin. Ich hatte eine ziemlich gewalttätige Teenager-Phase und die Folk-Musik half mir darüber hinweg. Meine Mutter hat immer darauf geachtet, dass ich nordische Musik höre. Selbst wenn es darin um Jesus geht und ich kein Freund der Religion bin, hat mich dieses melodische Klanguniversum immer in seinen Bann gezogen.“ Auch wenn ihr Mode per se nicht wichtig ist, muss das Gesamtbild zur Komplettierung der Liveatmosphäre stimmig sein. „Wir haben in unserem Setting oft Baumelemente und ich versuche auf der Bühne einerseits feminin zu wirken, aber trotzdem etwas Dunkles, Ungebührliches auszustrahlen. Für mich ist eine solche Kombination erschreckender als Nieten, Leder und Spikes. Ich will Emotionen verbreiten, um ein gewisses Unwohlsein in den Menschen hervorzuholen.“

(Bild: Christoph Kaltenböck/Bearded Buck Photo)

Dunkelheit bleibt
In die Wiener Arena konzertierte sie am 14. Dezember erstmals mit ihrer brandneuen EP „Juniper“, wohl dem ersten Vorboten für ein weiteres Studioalbum, auf das wir uns für 2019 vorbereiten sollten. Auf der EP huldigt sie mit „Bonden & Kragen“ einem traditionellen dänischen Song aus dem 17. Jahrhundert, vergisst aber auch nicht völlig auf die klirrende Kälte des Black Metal. Der Folk wird ihren Sound künftig aber stärker durchdringen, wie sie bekanntgab. „Das nächste Studioalbum wird ein dunkles, akustisches Folk-Album werden. Es wird definitiv anders klingen, aber trotzdem über Relapse Records veröffentlicht. Im Prinzip ist es eine nette Mixtur aus allen Dingen, die ich bisher ausprobiert hatte. Ich musste einfach versuchen, das einmal in ein kohärentes Produkt zu pressen.“

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