Gibt Parteivorsitz ab
Merkel: „Habe eure Nerven auf die Probe gestellt“
Es ist das Ende einer Ära in der deutschen CDU: Nach mehr als 18 Jahren gibt Angela Merkel am Freitag auf dem Bundesparteitag in Hamburg den Parteivorsitz ab. Bevor die 1001 Delegierten am Nachmittag über die neue Führung entscheiden, hielt Merkel ihre letzte Rede als CDU-Chefin und zog dabei auch eine persönliche Bilanz. „Ich weiß sehr wohl, dass ich mit meinem Politikstil eure Nerven sehr auf die Probe gestellt habe“, so Merkel in Richtung der Delegierten über ihre Art, nicht auf jede Attacke des politischen Gegners gleich wortreich zu reagieren. Nach 18 Jahren als Parteivorsitzende sei es nun für sie an der Zeit, „ein neues Kapitel aufzuschlagen“.
Ihr alles überragendes Gefühl sei das der Dankbarkeit für ihre Ämter. Sie habe sich immer vorgenommen, diese mit Würde zu tragen und sie auch eines Tages mit Würde zu verlassen. Merkel schloss mit dem Satz: „Es war mir eine große Freude, es war mir eine Ehre.“ Nach Kritik und Wahlschlappen in den Bundesländern Bayern und Hessen wollte die 64-Jährige nicht erneut für das Amt kandidieren. Während Merkel ihren Parteivorsitz abgibt, wird sie als Bundeskanzlerin weitermachen.
„Die Partei hat es mit mir nicht immer leicht gehabt“
Die Partei habe es mit ihr nicht immer einfach gehabt, räumte Merkel ein. So habe sie nach dem Geschmack vieler Christdemokraten so manchen „deftigen, scharfen Angriff“ auf den politischen Gegner von rechts oder links vermissen lassen. „Ich habe stattdessen das Florett gewählt oder es vorgezogen zu schweigen oder gar nicht erst über das Stöckchen zu springen, das man mir hinhielt“, sagte Merkel - und erhielt dafür kräftigen Applaus.
„Einheimische und Migranten zusammenführen“
In ihrer Rede rief sie auch dazu auf, Deutschland zusammenzuführen. „Es geht in Zeiten wie diesen darum, unser Land, Europa, Ältere und Jüngere, Ost und West, Stärkere und Schwächere, Einheimische und Migranten, zusammenzuführen.“ Zudem verteidigte sie, dass 2015 in einer humanitären Notlage Migranten aufgenommen worden seien. Trotzdem sei gesteuert und geordnet worden.
„Zeiten für das Land sind fordernd“
Die Zeiten seien nach den Worten von Merkel für das Land fordernd - für die Volksparteien, aber auch mit der AfD als einer Partei „rechts von uns“. Merkel verwies auf das Motto des Parteitages, „Zusammenführen. Und zusammen führen“. Dies sei Aufgabe der CDU als Volkspartei. Sie betonte zudem, CDU und CSU hätten bitter erfahren, wohin „nicht enden wollender Streit“ führen könne. Wohin dagegen Einigkeit die Christdemokraten führe, sei auch klar: In den 70 Jahren der Bundesrepublik hätten CDU oder CSU in 50 den Bundeskanzler gestellt.
Aufruf zur Geschlossenheit
Merkel rief daher ihre Partei vor der mit Spannung erwarteten Neuwahl der Parteispitze zur Geschlossenheit auf. „Ich wünsche mir, dass wir aus diesem Parteitag gut gerüstet, motiviert und geschlossen herausgehen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.“ Hintergrund der Mahnung sind Sorgen in der CDU, dass die Wahl eines neuen Parteichefs oder einer neuen Parteichefin auch zu einer Spaltung führen könnte.
„CDU muss ihren Status als Volkspartei der Mitte wahren“
Es gehe um einen ganz besonderen Parteitag, sagte Merkel. Die CDU wolle personell und inhaltlich Weichen stellen. „Beide Weichenstellungen haben ein Ziel: Gemeinsam wollen wir, dass unsere CDU als die starke Volkspartei der Mitte ihrem Gestaltungsauftrag gerecht wird, Überzeugungskraft ausstrahlt und das richtige Angebot für die Zukunft unseres Landes unterbreitet.“ Die CDU müsse ihren Status als „Volkspartei der Mitte“ wahren.
Standing Ovations für Merkel: „Danke, Chefin“
Nach ihrer Rede wurde Merkel von den 1001 Delegierten mit minutenlangen Standings Ovations gefeiert. Einige Delegierte hielten Schilder mit der Aufschrift „Danke, Chefin“ in die Höhe. Manche der CDU-Mitglieder waren angesichts des Abschieds Merkels zu Tränen gerührt. Auch Merkel selbst war von dem langen Beifall sichtlich bewegt. „Wir brauchen Dich als Kanzlerin“, sagt CDU-Vizechefin Julia Klöckner an Merkel gerichtet. Merkel hatte gesagt, es sei ihr eine „Herzensangelegenheit“, neuen Erfolg der CDU „unter gleichzeitiger Wahrung staatspolitischer Verantwortung“ zu ermöglichen.
Kramp-Karrenbauer, Merz oder Spahn: Wer folgt Merkel nach?
Um die Nachfolge Merkels bewerben sich CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Es deutet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz an. Mit Spannung wird auch erwartet, ob Spahn mit einem zweistelligen Ergebnis einen Achtungserfolg erzielen kann. Im Rennen um den Parteivorsitz gilt er als weitgehend chancenlos.
Einer Umfrage zufolge wünschen sich 49 Prozent der CDU-Wähler Kramp-Karrenbauer als neue Parteichefin. Das geht aus dem am Freitag wenige Stunden vor der Entscheidung auf dem Parteitag veröffentlichten „RTL/n-tv-Trendbarometer“ hervor. 35 Prozent der CDU-Wähler würden demnach Merz vorziehen, zehn Prozent Spahn.
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