Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nach 18 Jahren und acht Monaten an der CDU-Spitze nicht mehr für den Parteivorsitz antritt, hat am Freitag am Parteitag der Christdemokraten ungewohnt emotional gesprochen (siehe Video oben). Emotional auch Österreichs Ex-Bundeskanzler Christian Kern, der Merkel jetzt einen ganzen Aufsatz widmete. In dem im deutschen „Handelsblatt“ veröffentlichten Loblied zieht der Sozialdemokrat eine „beeindruckende Bilanz“ der 13-jährigen Kanzlerschaft der Konservativen. Die „mächtigste deutschsprachige Frau seit Maria Theresia“ werde Europa fehlen, ist Kern überzeugt.
Die Union habe im Windschatten Merkels 13 Jahre lang Wahlen gewonnen und ihre Chefin nun nach zwei verlorenen regionalen Urnengängen zum Sündenbock gemacht. „Dankbarkeit ist keine politische Kategorie“, zitiert Christian Kern seinen sozialdemokratischen Vorgänger Bruno Kreisky.
Kern bezeichnet Merkel als „Schutzengel der liberalen Ordnung“ und nennt sie - nicht zu Unrecht - in einem Atemzug mit großen, ebenfalls konservativen Europäern wie Konrad Adenauer und Helmut Kohl. Sie habe Europa durch die Griechenland-Krise und die Flüchtlingskrise gesteuert. Es sei eine Politik mit Herz und Verstand gewesen, so Kern weiter. Darüber kann man geteilter Meinung sein, am Kontrollverlust in der Flüchtlingspolitik trägt Merkel ganz klar Mitschuld.
Merkel „in zwei Krisen zweimal auf der richtigen Seite“
Für Kern ist sie „in zwei Krisen zweimal auf der richtigen Seite gestanden“. Merkels Deal mit der Türkei zur Beherbergung Hunderttausender Flüchtlinge war entscheidend für die deutliche Reduktion der Migration nach Zentraleuropa. Wovon die Balkanroutenschließer träumten, das hat Merkel gemacht, schießt Kern auch gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Merkel sei, so die Analyse des Ex-Kanzlers, „die Meisterin der Unwägbarkeit, die Dompteurin aller Eventualitäten“. Mit dem Blick für das Machbare habe sie ihre Agenda vorangetrieben, „die Abwägung ist ihr politisches Projekt“, so Kern. Merkel habe sich in 13 Jahren Kanzlerschaft ein internationales Vertrauen erworben, das sie zur „mächtigsten deutschsprachigen Frau seit Maria Theresia“ gemacht habe, schreibt Kern weiter. Eine Macht, die sie nicht vor sich hertrage und „die sie dennoch zum Gravitationszentrum europäischer Innenpolitik gemacht hat“.
Seehofer: „Merkel ist die Beste“
Auch CSU-Chef Horst Seehofer bedauerte den Rückzug Merkels von der Spitze der CDU. „Sie ist die Beste“, sagte er der neuen Ausgabe des Magazins „Spiegel“. „Wir alle werden sie noch sehr vermissen“, betonte Seehofer, der selbst sein Amt als CSU-Vorsitzender Mitte Jänner niederlegen will. Trotz vieler Differenzen in den vergangenen Jahren hege er eine tiefe Sympathie für die Kanzlerin. „Wenn man so viel durchgestanden hat wie Angela Merkel und ich, dann bildet sich Verbundenheit, streckenweise sogar Zuneigung. Das kettet aneinander“, sagte Seehofer.
Neuer CDU-Chef bald auch deutscher Kanzler
Am Freitag stand am CDU-Parteitag Teil eins ihrer Ablöse am Programm. Die Parteimitglieder stimmten über den neuen Parteichef ab. Und über kurz oder lang wird der oder die Gewählte dann auch Merkel im Kanzleramt beerben.
Kronen Zeitung/krone.at
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