BMW bringt im März den neuen Dreier-Reihe auf den Markt. In ihm bündelt sich das Selbstverständnis der Marke, als ihr Herz wird er in München bezeichnet. Ebendort, zu Hause, ist die Mittelklasse-Limousine seit 1975 über 15 Millionen Mal gebaut worden (künftig zusätzlich in China und Mexiko). In siebter Generation ist der Dreier größer, leichter und technisch ausgefeilter als der Vorgänger, wirft aber auch alte Werte über den Haufen.
Von der Linienführung her könnte der 3er beinahe ein 4er Gran Coupé sein. Weil er in allen Dimensionen außer der Höhe deutlich gewachsen ist, wirkt er flacher. Die Linie spitzt sich nach vorne regelrecht zu, taucht an der Schnauze ab, wo riesige BMW-Nieren wie ein Designer-Brillengestell zwischen den LED-Scheinwerferaugen sitzen. Diese wiederum tragen je nach Ausstattung U-förmiges Tagfahrlicht, das ein wenig wie leuchtende Tränensäcke wirkt. Das sieht dynamischer aus, als es jetzt hier klingt. Optional gibt es Adaptiv-LEDs (keine Matrix) mit ultrastarkem Laser-Fernlicht (530 Leuchtweite), normale Voll-LEDs sind Serie.
Die LED-Heckleuchten sind abgedunkelt und dreidimensional modelliert, wie wir das bereits von X4 und X5 kennen. Vor allem in Weiß erinnert das Heck aus manchen Perspektiven an Lexus. Großes Lob gebührt BMW dafür, dass alle Motorvarianten zwei richtige Auspuffendrohre bekommen, acht bzw. neun Zentimeter im Durchmesser. Hier gibt es im Gegensatz zur Konkurrenz keine Auspuffblenden und schon gar keine -Attrappen. Das schafft Sympathie und Vertrauen, weil es so echt ist, und passt zum Markenkern, denn auch die sprichwörtliche „Freude am Fahren“ ist ein echter Fahreindruck, keine leere Worthülse aus dem Marketingtext.
Selbstschärfende Dämpfer in Serie
Den Slogan füllt BMW beim neuen 3er besonders mit Leben. Das Serienfahrwerk bringt ebenso wie das um einen Zentimeter tiefergelegte M Sportfahrwerk neuartige, sogenannte hubabhängige Stoßdämpfer mit, die ihre Dämpfkraft verstärken, je weiter sie einfedern. Das funktioniert rein mechanisch, durch eine Art Dämpfer im Dämpfer. Der arbeitet vorne beim Ausfedern (= Zugstufe), hinten beim Einfedern (= Druckstufe). Dadurch konnte das Fahrwerk komfortabler ausgelegt werden, ohne an Präzision und Sportlichkeit zu verlieren.
Auf ersten Testfahrten in Portugal mit Sportfahrwerk überzeugte der BMW durch geschmeidiges Fahrverhalten mit beeindruckendem Komfort, dennoch liegt er satt auf der Straße und geht agil ums Eck. Die beim Sportfahrwerk serienmäßige variable Sportlenkung arbeitet gefühlvoll. Und weil er nicht bretthart ist, bringen ihn auch böse Bodenunebenheiten in Kurven nicht aus der Ruhe. Das liegt natürlich nicht nur an den neuen Dämpfern, auch das um 25 Prozent (punktuell sogar 50 Prozent) steifer ausgelegte Chassis macht sich bemerkbar. Dazu kommen breitere Spur (vorne plus vier, hinten plus zwei Zentimeter), erhöhte Radsturzwerte und ein tieferer Fahrzeugschwerpunkt. Die 50:50-Gewichtsverteilung ist sowieso Ehrensache.
Das Fahrzeug insgesamt hat in der Breite um zwei Zentimeter auf 1,83 Meter zugelegt, volle acht Zentimeter ist es in der Länge gewachsen und kommt jetzt auf 4,71 Meter. Der Radstand wurde um vier Zentimeter auf 2,85 Meter gestreckt. Trotzdem ist der neue Dreier ausstattungsbereinigt bis zu 55 Kilogramm leichter als der alte (Aluminium sei Dank!). Und auch das merkt man ihm beim Fahren an. So bringt der 320d ohne Fahrer 1450 kg auf die Waage, der 330i 1470 kg.
Wer noch mehr Sportlichkeit und gleichzeitig noch mehr Komfort will, der kann das adaptive M-Fahrwerk mit elektronisch geregelten Dämpfern bestellen.
Starker Komforteindruck
Nicht nur wegen des geschmeidigen, soliden Fahrwerks kommt ein starkes Komfortgefühl auf. Wenn man sich akustisch nicht gerade dem Sportmodus ausliefert (dazu gleich mehr), ist der Dreier ein echter Leisetreter. Die Frontscheibe besteht jetzt serienmäßig aus Akustikglas, für die vorderen Seitenscheiben gibt es die Geräuschdämmung optional, die A-Säulen sind ausgeschäumt. Das Fahrwerk ist ohnehin gut entkoppelt, was Geräusche betrifft.
Und auch ein Stück Komfort vermitteln die Scheibenwischer, die jetzt mit integrierten Spritzdüsen ausgestattet sind.
Vier mal vier und einmal sechs
Zum Marktstart bietet BMW hauptsächlich Vierzylindermotoren an: zwei Benziner mit 184 und 258 PS (320i bzw. 330i) und zwei Diesel mit 150 und 190 PS (318d bzw. 320d). Vorläufig einziger Sechszylinder im Angebot ist der 330d mit 265 PS. Die beiden kleineren Diesel sind wahlweise mit manuellem Schaltgetriebe erhältlich, ansonsten ist die famose Achtgangautomatik Serie, die nun auch im Comfort-Modus segeln kann (also auskuppelt). Allradantrieb ist vorläufig nur für den 320d verfügbar. Alle Motoren erfüllen Euro 6d-temp.
Zwei Motorisierungen haben wir bereits gefahren. Der 330i ist besonders für sportliche Fahrer ausgelegt. Das mag ein Grund sein, warum BMW hier im Sportmodus derart viel Motorsound über die Lautsprecher zuspielt. Nachricht nach München: Das ist zu viel des Guten und nervt auf längeren Strecken. Zudem klingt er in manchen Fahrzuständen, etwa beim Anfahren, beinahe wie ein Diesel. Das ist schade, denn faktisch gibt es an dem Triebwerk nichts auszusetzen (abgesehen davon, dass früher beim 330i sechs Zylinder unter der Haube waren). Bei 1550/min. holt mich eine 400 Nm starke Drehmomentwelle ab, die mich bis 4400 Touren nicht mehr verlässt. Der Twin-Scroll-Turbolader kommt zügig zur Sache. In Natura bedeutet das, immer richtig Power zu haben, auf dem Papier stehen 5,8 Sekunden für den 100er-Sprint und maximal 250 km/h. Und respektable 5,8 bis 6,1l/100 km.
Der 320d wird erstmals von zwei Turboladern beatmet. Damit liefert er mächtige 400 Nm bei 1750/min. ab, und auch er nervt nicht mit einer Turbo-Gedenksekunde. Stattdessen sorgt er akustisch zurückhaltend und unaufgeregt für flotten Vortrieb sowie einen Standardsprint in 6,8 Sekunden (mit manuellem Getriebe: 7,1 Sekunden). Er läuft maximal 240 km/h und hat in der sparsamsten Version einen Normverbrauch von nur 4,2 l/100 km.
BMW M340i xDrive wird ein Freudenspender
Im Juli wird ein M-Performance-Modell nachgereicht: Der BMW M340i xDrive mit Dreiliter-Sechszylinder leistet 374 PS und ist ein veritabler Sportwagen. Mit ihm konnte ich auf der Rennstrecke von Portimao einige schnelle Runden drehen. Getarnt zwar, aber ansonsten fertig. Beeindruckend, wie leicht man richtig schnell fahren kann!
Dabei war die Strecke nass, aber der Allradantrieb ist in Verbindung mit der Differenzialsperre ein herrlicher Gefährte. Spielerisch geht es quer durch die Kurven, wenn man es drauf anlegt, weil der xDrive im Sportmodus hecklastig orientiert ist. Auch der Sound ist vom Feinsten und hat nicht mit dem künstlichen Lärm im 330i zu tun. Sechszylinder eben. Auch so ein Herzstück der Marke BMW.
More to come
Gemeinsam mit dem M340i wird im Juli der 330e nachgereicht. Der Plug-in-Hybrid kommt auf eine Systemleistung von 252 PS, wobei der Elektromotor, der im Getriebe untergebracht ist, auf 30 kW/41 PS kommt. Als elektrische Reichweite gibt BMW 60 Kilometer an. Ein Manko dieser Version wird wohl sein, dass der Tank nur 40 Liter fasst.
Ansonsten wird BMW logischerweise einen M3 bringen. Ob es wieder einen Dreizylindermotor geben wird, darüber will sich bei den Münchnern niemand äußern.
Platz und Hightech im Innenraum
Die vergrößerten Abmessungen machen sich im Innenraum wohltuend bemerkbar, das Raumgefühl ist einfach luftiger als früher, nichts zwickt, auch auf den Rücksitzen. Der Kofferraum fasst 480 Liter, wobei das „primäre Kofferabteil“ um 36 Liter gewachsen ist.
Die Gestaltung ist prinzipiell gelungen, auch die Materialien gehen in Ordnung. Allerdings wirken die Tasten teilweise billig. Betätigt man eine der acht Zifferntasten, drückt man di ganze Leiste hinein. Mit Premium hat das nichts zu tun. Auch das Nachfedern der Menütasten hinterm iDrive-Controller hat nichts mit der früheren Solidität zu tun.
Absurd wird es, wenn man das neue Digitalcockpit mitbestellt hat, das sogenannte BMW Live Cockpit Professional. Auf dem 12,3 Zoll großen Fahrer-Bildschirm stellen Tacho und Drehzahlmesser stilisiert die BMW-Nieren dar, der Drehzahlmesser läuft wie bei Peugeot linksherum und der Tacho ist praktisch nicht ablesbar, weil die Skalierung viel zu grob und außerdem je nach Geschwindigkeitsbereich unterschiedlich ist. Immerhin wird das Tempo auch in Ziffern angezeigt.
Am besten bestellt man das riesige Head-up-Display mit - oder wählt bei der Bestellung die klassischen Instrumente:
Man kann sagen, ist doch egal. Tatsächlich waren die BMW-Instrumente aber immer extrem gut abzulesen, weil klar und reduziert auf das Wesentliche. Kurz gesagt: Es waren Instrumente, keine Handydisplays zum Spielen. Aber das Ganze ist auch intern nicht unumstritten. Voraussichtlich werden in absehbarer Zeit Alternativen angeboten.
Das Zentraldisplay misst 10,25 Zoll und kann leicht konfiguriert werden. Wie am Handy kann man sich durch Bildschirmseiten wischen und deren Inhalte verändern. Wer das iDrive gewohnt ist, wird sich schnell daran gewöhnen. Der iDrive-Controller bleibt auch erhalten, hat aber nicht mehr die gleiche essentielle Bedeutung wie früher.
Zusätzlich hat BMW eine neue Sprachbedienung eingeführt, die ohne Knopfdruck funktiniert. Man muss nur „Hallo BMW“ oder „Hey BMW“ sagen und einen Befehl aussprechen, schon macht der BMW, wie ihm geheißen. Wenn‘s funktioniert, was bei den Vorserienfahrzeugen nicht reibungslos ablief. Aber bis zum Marktstart soll noch ein Update kommen. Überhaupt werden Softwareänderungen künftig „over the air“, also ohne Werkstattbesuch aufgespielt.
Das ist ähnlich wie bei Mercedes - mit einem Unterschied: Bei BMW kann man dem Assistenten einen eigenen Namen geben. Aus Hey BMW wird dann Hey Thomas, Herr Geheimrat oder auch Hey Mercedes.
Assistenzsysteme auf höchstem Niveau
Auffahr- und Personenwarnung mit Bremsfunktion jetzt serienmäßig, auch Radfahrer werden erkannt und geschützt. Optional fährt der Dreier selber, kann beim Parallelfahren eine Seitenkollision verhindern und hat einen Parkassistenten, der 50 Meter exakt in der Spur zurückfahren kann, in der er vorwärts gefahren ist.
Die Preise
Für den BMW 330i werden mindestens 46.450 Euro fällig. Der Einstiegspreis liegt in der Dreier-Reihe vorläufig bei 41.700 Euro, er gilt für den BMW 320d mit manuellem Schaltgetriebe. Mit Allradantrieb und Automatik kommen 5200 Euro dazu. Die übrigen Preise will BMW im Jänner bekannt geben.
Unterm Strich
Der Dreier-BMW bleibt der Sportler in der Klasse, hat aber deutlich an Komfort dazugewonnen. Damit adeln die Münchner ihre Kernbotschaft der Freude am Fahren. Dass sie im Cockpit kindische Display-Spiele programmiert haben, verbuchen wir jetzt erst einmal als fehlgeleiteten Spieltrieb und hoffen auf alternative Darstellungen, die zur Marke passen.
Warum?
Schon das Standardfahrwerk dämpft adaptiv (mechanisch)
Fährt hervorragend, ganz besonders als M340i
Warum nicht?
Der Motorsound aus den Lautsprechern im 330i stört.
Oder vielleicht …
… doch auf den M3 warten?
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