Nachverhandlungen?
Fix: London verschiebt Abstimmung zum Brexit-Deal
Die Abstimmung im britischen Parlament über das Brexit-Abkommen mit der EU ist verschoben worden. Das verkündete Premierministerin Theresa May am späten Montagnachmittag vor den Abgeordneten. „Das Abkommen wäre mit einer beträchtlichen Mehrheit abgelehnt worden“, begründete sie ihre Entscheidung. Der Termin war ursprünglich für Dienstagabend angesetzt gewesen, doch es zeichnete sich immer deutlicher eine Niederlage für die Regierung ab. May strebt nun Nachverhandlungen mit Brüssel über das Abkommen an. Die EU-Kommission hatte zuvor allerdings erklärt, dass sie das Abkommen nicht neu verhandeln wolle. Unterdessen berief EU-Ratspräsident Tusk für Donnerstag einen Brexit-Gipfel ein.
Bereits zu Mittag hatten sich die Gerüchte verdichtet, wonach die Abstimmung nicht am Dienstag stattfinden werde. Eine BBC-Reporterin schrieb auf Twitter: „Das Brexit-Votum ist definitiv vom Tisch.“ Das Kabinett May war laut BBC am Vormittag zu einer dringenden Telefonkonferenz einberufen worden. Am Wochenende hatte die britische Regierung mehrmals betont, dass die Abstimmung im Parlament am Dienstag wie geplant stattfinden werde.
Regierung bereitet sich auf harten Brexit vor
May strebt nun Nachverhandlungen mit der EU über das Brexit-Abkommen an. Sie werde ihren EU-Kollegen die „klaren Bedenken“ des britischen Unterhauses vortragen und „weitere Zusicherungen“ aus Brüssel verlangen, sagte May in ihrer Erklärung vor den Abgeordneten. Ein erfolgreicher Brexit erfordere Kompromisse auf allen Seiten, sagte May im Parlament. Weder die Anhänger eines zweiten Referendums noch die Befürworter eines Verbleibens im Binnenmarkt, noch die Befürworter eines ungeordneten Brexits hätten eine Mehrheit. Angesichts der Lage beschleunige die Regierung die Vorbereitungen für einen harten Brexit.
EU-Ratspräsident Tusk beruft für Donnerstag Brexit-Gipfel ein
Nach der Verscheibungs-Ankündigung Mays berief EU-Präsident Donald Tusk einen Brexit-Gipfel für Donnerstag ein, der am Rande des regulären EU-Gipfels in Brüssel stattfinden soll. Es werde keine Nachverhandlungen zu dem Brexit-Abkommen geben, allerdings sei die EU bereit zu Gesprächen darüber, „wie die britische Ratifizierung erleichtert werden kann“, erklärte Tusk.
Nordirland-Problem
Der mit der EU ausgehandelte Austrittsvertrag regelt unter anderem die Rechte der Bürger auf beiden Seiten nach dem Brexit und die Finanzforderungen an London. Außerdem soll er dafür sorgen, dass es an der Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und Irland weiter keine Grenzkontrollen gibt. Vor allem das Grenzethem löst bei vielen große Sorgen aus.
Mays Posten als Premierministerin wackelt mehr denn je
Weitere Teile der Opposition, aber auch rund hundert Abgeordnete der konservativen Partei von May lehnen das Brexit-Abkommen daher ab. Sie fürchten eine zu starke Bindung an die EU. Auch die nordirische DUP, auf deren Stimmen May angewiesen ist, kündigte Widerstand ab. Sie lehnt Sonderregelungen für Nordirland ab. Eine Niederlage könnte zu Mays Ende als Regierungschefin führen.
Oppositionsführer: „Mays Regierung ist verzweifelt“
Mays Posten als Premierministerin wackelt mehr denn je. Britischen Medien zufolge stehen mehrere Politiker als mögliche Nachfolger in der Startposition, darunter Innenminister Sajid Javid und Ex-Außenminister Boris Johnson, einer der größten Widersacher Mays. Oppositionsführer Jeremy Corbyn sagte, Mays Brexit-Plan sei so katastrophal, dass ihre Regierung nun den verzweifelten Schritt unternehme, die Abstimmung zu verschieben. „Wir haben keine funktionierende Regierung“, sagte er.
London darf Brexit ohne EU-Zustimmung stoppen
Der Europäische Gerichtshof hatte am Montag entschieden, dass Großbritannien die Austrittserklärung auch einseitig rückgängig machen könnte. Dies könnte für britische Abgeordnete, die auf einen Verbleib in der EU spekulieren, ein weiteres Argument sein, gegen den Austrittsvertrag zu stimmen.
Brüssel will Brexit-Deal keinesfalls nachverhandeln
Die EU schloss am Montag Nachverhandlungen über den Brexit-Vertrag aus. „Wir werden nicht neu verhandeln“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel. „Unsere Position hat sich nicht verändert.“ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe darauf verwiesen, dass der vorliegende Deal „der bestmögliche“ sei, sagte die Kommissionssprecherin. Er sei bereits von den EU-Staats- und Regierungschefs gebilligt worden. „Was uns betrifft, tritt das Vereinigte Königreich am 29. März 2019 aus der EU aus.“
Die britische Regierung hatte am 29. März 2017 die übrigen EU-Staaten offiziell darüber informiert, dass das Land die EU verlassen will. Damit begann ein zweijähriges Austrittsverfahren nach Artikel 50 der EU-Verträge, das planmäßig mit dem Brexit am 29. März 2019 endet.
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