Alte Prügelfotos

„Gelbwesten“-Protest: Die Macht der Fake-Bilder

Ausland
11.12.2018 06:00

Brennende Autos und zerstörte Schaufensterscheiben auf der einen und friedliche Demonstranten, die mit Polizeigewalt verjagt werden, auf der anderen Seite. Die Bilder aus Paris und anderen Metropolen Frankreichs sind teils besorgniserregend. Sowohl der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als auch US-Präsident Donald Trump haben sich zu den Protesten gegen die Regierung von Präsident Emmanuel Macron geäußert - und sich wohl von einigen Bildern und Videos täuschen lassen, die entweder vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen oder schlichtweg manipuliert waren. In den sozialen Medien werden derzeit zahlreiche Fake-Bilder und -Videos aus Frankreich verbreitet, die ihre Wirkung offenbar nicht verfehlen.

Die Investigativabteilung der Nachrichtenagentur AFP hat vor Kurzem eine ausführlichen Analyse veröffentlicht. Die Journalisten und Bildexperten zeigen mit ihrer Arbeit die enorm große Gefahr der Manipulation in den sozialen Medien. Sowohl links- als auch rechtsextreme Gruppierungen versuchen seit Beginn der Proteste gegen die hohen Lebenshaltungskosten in Frankreich, die sich zunächst an der Treibstoffpreiserhöhung entzündet hatten, eigenes Kapital aus den Unruhen zu schlagen. Es geht neben den Demonstrationen also auch um die Deutungshoheit.

(Bild: AFP)
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(Bild: AP)
Wütende Demonstranten und hart durchgreifende Polizisten - die Bilanz des vierten Aktionstages der „Gelben Westen“: Mindestens 260 Menschen, unter ihnen 39 Polizisten, wurden verletzt, rund 1700 Randalierer wurden verhaftet. (Bild: APA/AFP/Zakaria ABDELKAFI)
Wütende Demonstranten und hart durchgreifende Polizisten - die Bilanz des vierten Aktionstages der „Gelben Westen“: Mindestens 260 Menschen, unter ihnen 39 Polizisten, wurden verletzt, rund 1700 Randalierer wurden verhaftet.

„Paris brennt“: Was zoomen bewirken kann
Einerseits werden unter dem Titel „Paris brennt“ häufig brennende Barrikaden aus Holz, Reifen und sogar aus Weihnachtsbäumen über Twitter und Facebook verbreitet. Manchmal handelt es sich aber um ziemlich gezoomte Fotos, wie diese vermeintlich schockierende Aufnahme aus einem anderen Winkel (siehe Tweet unten) betrachtet beweist.

Die AFP-Experten haben zudem mehrere Bilder und Videos gefunden, die die von Erdogan beklagte „exzessive Gewalt“ zeigen sollen. Das Problem: Es handelt sich um ältere Aufnahmen, die von anderen Demonstrationen stammen. So wurde folgendes Bild, das vier Polizisten zeigt, die mit Schlagstöcken auf einen am Boden sitzenden Demonstranten einprügeln, Anfang Dezember verbreitet und von vielen Usern mit Entsetzen kommentiert. Allerdings handelt es sich um einen Schnappschuss, der am Rande einer Demonstration gegen das neue Arbeitsgesetz unter Macrons Vorgänger Francois Hollande im nordfranzösischen Lille entstanden ist.

Dieses Bild wurde anlässlich der „Gelbwesten“-Proteste Anfang Dezember gepostet und mehr als 11.000-mal geteilt. Allerdings stammt die Aufnahme aus dem Jahr 2016. (Bild: facebook.com)
Dieses Bild wurde anlässlich der „Gelbwesten“-Proteste Anfang Dezember gepostet und mehr als 11.000-mal geteilt. Allerdings stammt die Aufnahme aus dem Jahr 2016.

„Polizei schlägt auf sitzende Kinder ein“
Auch ein martialisches Video, in dem Polizisten auf sitzende Demonstranten einprügeln, wurde in den vergangenen Tagen zahlreich geteilt. Zu lesen ist hier: „Die Bereitschaftspolizei schlägt auf sitzende Kinder ein.“

Doch mithilfe einer Mediensuche auf Google haben die AFP-Experten festgestellt, dass sich die Szene im November 2015 abgespielt hatte - und zwar während einer Kundgebung von Umweltschützern am Rande des Weltklimagipfels in Paris. Der ursprüngliche Tweet ist unten zu sehen. Zwar handelt es sich hier ebenfalls um Polizeigewalt, aber in einem völlig anderen Zusammenhang.

Polizisten ohne Schutzhelme
Folgendes Video hat international Schlagzeilen gemacht: Polizisten, die sich vermeintlich mit den „Gelbwesten“ solidarisieren, ihre Schutzhelme herunternehmen und gemeinsam mit den Demonstranten die französische Nationalhymne anstimmen, sollten der Beweis dafür sein, dass sich nunmehr auch Einsatzkräfte gegen den Präsidenten wenden würden.

Doch ganz so hat es sich in der südwestfranzösischen Stadt Pau doch nicht zugetragen. Dem widersprechen nämlich Journalisten, die vor Ort anwesend waren. Der in Pau lebende Fotograf Quentin Top, der für die Zeitung „Sud Ouest“ über die Demonstration berichtet hatte, erklärte gegenüber AFP, es habe sich um Verhandlungen zwischen Polizeibeamten und den „Gelbwesten“ gehandelt. Um diese Verhandlungen zu erleichtern, hätten die Einsatzkräfte ihre Schutzhelme abgenommen. Ihrerseits soll die Bedingung ausgegeben worden sein, dass man gemeinsam die Hymne singt und sich die Kundgebung danach auflöst. Viele Medien, darunter auch krone.at, sind aber leider auf den von den „Gelbwesten“ intendierten Spin hereingefallen.

Wilde Spekulationen rund um Autos ohne Kennzeichen
Für wilde Verschwörungstheorien gesorgt haben Aufnahmen von ausgebrannten bzw. demolierten Autos in Paris, die keine Kennzeichentafeln hatten. Zahlreiche Internetuser verbreiteten die Annahme, dass es sich um von der Polizei platzierte Unfallfahrzeuge gehandelt habe. Mithilfe dieser sichergestellten Fahrzeuge sollten größere Schäden inszeniert werden.

Immer wieder findet man in sozialen Medien demolierte Autos ohne Kennzeichen. Dies hat viele Internetuser zu den wildesten Verschwörungstheorien verleitet. (Bild: twitter.com, facebook.com, krone.at-Grafik)
Immer wieder findet man in sozialen Medien demolierte Autos ohne Kennzeichen. Dies hat viele Internetuser zu den wildesten Verschwörungstheorien verleitet.

Allerdings fanden die AFP-Experten ein Video, in dem die Vorgeschichte von zumindest einem Wrack ohne Kennzeichen aufgeklärt wird. Die Aufnahmen zeigen, dass Demonstranten auf dem umgeworfenen Auto herumspringen und einer von ihnen das Nummernschild herunterreißt.

Gesetzespaket gegen Fake News erlassen
Das Problem ist aber, dass die Richtigstellungen wohl von den wenigsten Menschen, die diese Bilder und Videos gesehen und sich ihre Meinung gebildet haben, wahrgenommen werden. „Manipulation von Information ist ein langsames Gift, das unsere Glaubwürdigkeit zerstört, unser demokratisches Leben beschädigt.“ Mit diesen Worten kommentierte die französische Bildungsministerin im Sommer das Vorhaben der Regierung Macron, ein Gesetzespaket gegen Fake News zu erlassen. Dieses wurde Ende November vom Parlament beschlossen. Das Paket ist umstritten: Während Macron „das demokratische Leben“ in Frankreich vor allem während Wahlkämpfen vor Falschnachrichten schützen will, sehen Kritiker einen Versuch, unerwünschte Information zu unterbinden.

(Bild: APA/Helmut Fohringer)

Die Gesetze sehen vor, dass Parteien oder Kandidaten in den drei Monaten vor einer landesweiten Wahl mithilfe eines Richters im Eilverfahren gegen öffentlich verbreitete Unwahrheiten vorgehen können. Zudem sollen sich soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter zu größerer Transparenz verpflichten, wenn sie Inhalte gegen Bezahlung verbreiten.

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