Teure Zugeständnisse
„Weiße Fahne“ Macrons soll „Gelbwesten“ bremsen
Nach vierwöchigen Protesten der „Gelbwesten“ hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montagabend die womöglich wichtigste Rede seiner Amtszeit gehalten. In einer Fernsehansprache stellte er Maßnahmen der Regierung als Reaktion auf die von ihm als „sozialer Notstand“ bezeichnete Situation in seinem Land vor. Unter den Erlässen, mit denen Macron hofft, die Unruhen zu beenden, finden sich unter anderem die Erhöhung des Mindesteinkommens um 100 Euro pro Monat und die Steuerbefreiung von Überstunden. „Wir wollen ein Frankreich, in dem man in Würde von seiner Arbeit leben kann“, so der Präsident. Das allerdings auf Kosten der gesamten EU, so Kritiker.
„Die jüngsten Ereignisse haben die Nation tief erschüttert“, zeigte sich Macron in seiner 13-minütigen TV-Ansprache an das Volk nachdenklich. Der Präsident gab auch seine Mitschuld an der Situation zu, die sich allerdings seit rund 40 Jahren angebahnt habe. Er wisse, dass er manche Menschen mit gewissen Äußerungen „verletzt“ habe. Dennoch betonte Macron, dass das Volk nach wie vor hinter ihm stehe. Sein von den „Gelbwesten“ geforderter Rücktritt erfolgt also nicht. Das hatten Politikexperten aber auch nicht erwartet.
Eine Hauptforderung der „Gelbwesten“ wird erfüllt
Auf eine Hauptforderung der „Gelbwesten“ ging Macron ein: Der Mindestlohn wird um 100 Euro monatlich angehoben. Zudem sollen Überstunden nicht mehr besteuert werden. Dadurch sollen die hohen Lebenshaltungskosten der Franzosen ausgeglichen werden. Macron kündigte auch eine Entlastung für Pensionisten an, die über weniger als 2000 Euro monatlich verfügen: Für sie werde 2019 die Erhöhung der Sozialabgaben ausgesetzt, sagte er. Weitere Details sollen am Dienstag in einer Regierungserklärung folgen. Die neuen Maßnahmen betreffen nach Angaben des Fernsehsenders TF1 rund zwei Millionen Haushalte in Frankreich.
Viele bezweifeln aber, dass die Zugeständnisse Macrons und der Regierung von Premier Edouard Philippe ausreichen, um den Flächenbrand im Land zu löschen. Denn die Forderungen umfassen auch die Wiedereinführung der weitgehend abgeschafften Vermögenssteuer für wohlhabende Bürger - und das lehnt Macron ab. Neue Proteste am kommenden Samstag sind bereits absehbar.
Frankreich wird zum neuen Italien
Zusätzlich zu der Unzufriedenheit im eigenen Land kommt nun auch Kritik aus Europa. Experten befürchten, dass Macron Frankreich zum neuen Italien machen könnte. Die angekündigten Maßnahmen des Präsidenten zur Besänftigung der „Gelbwesten“ dürften nämlich schon bald dazu beitragen, dass Frankreich die Maastrichter Defizitgrenzen von drei Prozent der Wirtschaftsleistung überschreiten wird. Die „Zuckerl“ für die Franzosen gehen demnach vermutlich auf Kosten aller.
„Gewalt wird nicht akzeptiert“
Im Hinblick auf neue Proteste erklärte der Staatschef, dass die „große Wut“ der Demonstranten zwar verständlich sei, doch Gewalt werde er nie akzeptieren. Um die Sicherheit und Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten, würden auch in Zukunft „alle Mittel“ angewendet. Macrons Sprecher Benjamin Griveaux hatte zuvor eingeräumt, die Regierung habe das Bedürfnis der Franzosen unterschätzt, sich Gehör zu verschaffen. Die Demonstrationen in Paris und anderen Städten waren am vergangenen Wochenende erneut in Gewalt umgeschlagen.
Landesweit beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums rund 136.000 Menschen an den Kundgebungen. Ihnen standen insgesamt 89.000 Sicherheitskräfte gegenüber, die diesmal deutlich härter eingriffen. Es gab fast 2000 vorläufige Festnahmen, davon knapp 1100 in Paris. In mehr als 1700 Fällen wurde anschließend eine längere U-Haft angeordnet. Die Höhe der Sachschäden durch Brandlegungen (siehe Video unten) und Plünderungen ist noch nicht bekannt.
Erdogan und Trump kritisieren Macron
In den vergangenen Tagen hatte es auch Kritik aus dem Ausland gegeben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf westlichen Medien und Menschenrechtlern mit Blick auf die Proteste in Frankreich vor, sich „blind, taub und stumm“ zu stellen, obwohl dort übertriebene Polizeigewalt gegenüber friedlichen Demonstranten ausgeübt werde. Während der Gezi-Proteste in der Türkei 2013 hätten sie noch gegen das Vorgehen seiner Regierung protestiert, argumentierte er.
US-Präsident Donald Trump hatte Macron wegen der Proteste mehrfach auf Twitter geschmäht. Trumps früherer Chefstratege Steve Bannon sagte laut der Zeitung „Le Monde“ bei einem Auftritt mit der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen in Brüssel: „Die ,Gelbwesten‘ sind derselbe Typ Mensch, der Donald Trump gewählt und für den Brexit gestimmt hat.“
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