Adelstragödie

Die Hintergründe der Bluttat im Schloss Bockfließ

Niederösterreich
15.12.2018 06:00

Bestürzung nach der Bluttat in Bockfließ in Niederösterreich mit drei Toten: Im Verhör erzählt Graf G. vom lebenslangen Hass auf seinen Vater, über eine heimtückische Krankheit und den fatalen Streit um einen Lift im Schloss …

Mehr als drei Stunden dauerte am Freitagvormittag das Verhör mit Tono G. Immer wieder fragten Beamte der niederösterreichischen Kriminalabteilung den 54-Jährigen, wie sein Verbrechen genau abgelaufen, was der Auslöser dafür gewesen sei.

Vom Vater „fürchterlich gedemütigt“ - „da rastete ich aus“
„Ich verstehe nicht, wie ich zu alledem fähig sein konnte“, beteuerte der Adelige weinend. Nur schemenhaft will er sich an das Geschehene erinnern. Seinen Angaben zufolge „bin ich am Donnerstag wieder einmal mit meinem Vater, diesem gnadenlosen Tyrannen“, in Streit geraten, „wegen eines defekten Aufzugs in unserem Gutshof“, wieder einmal habe ihn der 92-Jährige „fürchterlich gedemütigt. Und da rastete ich aus.“

Tono G. holte ein Jagdgewehr aus einem seiner Waffenschränke und erschoss damit den verhassten Vater, die Stiefmutter (87) - „ich hatte ein neutrales Verhältnis zu ihr“ - und seinen Bruder Ernst (52), „mit dem ich mich gut verstanden, den ich sehr geliebt habe“.

(Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)
(Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)

„Seelische Belastungen kaum noch ertragen“
G. sei nicht bei sich gewesen, als er sein Verbrechen begangen hat, sagt sein Anwalt Peter Philipp: „Seit seiner Kindheit leidet mein Mandant an einer Krankheit, die dazu führt, dass sich ständig neue Geschwülste in seinem Körper bilden.“ Im vergangenen Jahr wäre er deshalb beinahe gestorben, ein Gewächs hatte eine Arterie abgedrückt. Bei weiteren Untersuchungen wurden dann mehrere - gutartige - Tumore im Gehirn festgestellt, „sie bewirkten, dass Herr G. seelische Belastungen kaum noch ertragen konnte“. Die Beschimpfungen des Vaters „und damit verbunden eine massive Stresssituation“ hätten am Donnerstag den „todbringenden Aussetzer“ bei ihm bewirkt.

Tono G. soll nun von mehreren Gerichtsgutachtern - Internisten, Neurologen, Psychiatern - auf seine Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt untersucht werden.

Eine schwarze Flagge wurde vor der Kirche im Ort gehisst. (Bild: Klemens Groh, krone.at-Grafik)
Eine schwarze Flagge wurde vor der Kirche im Ort gehisst.
(Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)

Anrainerin: „Ich verstehe es nicht“
In der Weinviertler Gemeinde ist Freitagfrüh beim „Krone“-Lokalaugenschein nichts mehr so, wie es war. Sabine Tietz-Kramer (70) schüttelt nur den Kopf: „Was ist da nur passiert? Ich verstehe es nicht.“ Sie hat Tono G. noch gesehen vor der unfassbaren Bluttat im Schloss - gemeinsam mit seinem Bruder Ernst G. stand er bei ihr, tratschte, war wie immer - „zuvorkommend, nett, lustig“. Aber doch irgendwie anders, fügt die gebürtige Deutsche leise hinzu. „Tono war feuerrot im Gesicht. Ich dachte kurz, er habe einen Blutdruck von 220!“

Was kurz danach passierte, ist traurige Gewissheit: Drei Menschen starben. Es war „Frau Hermi“, die die Schüsse gehört und Alarm geschlagen hatte. Sie war ihr halbes Leben lang die „Perle“ im Schloss, putzte, kochte - auch an diesem Tag. Reden will sie aber nicht darüber. Diskretion war stets oberstes Gebot hinter den Schlossmauern.

Das bestätigt auch Gastronom Robert P. (54). Oft hat er für die Adeligen gearbeitet, Streitereien habe er nie mitbekommen. „Die Familie hat zusammengehalten. Alle waren nett, nie abgehoben.“

Gastronom Robert P. arbeitete öfter für die Adeligen. (Bild: Klemens Groh)
Gastronom Robert P. arbeitete öfter für die Adeligen.

Das Grafengeschlecht
Die Grafen von G. sind ein aus Portugal stammendes und über Flandern nach Österreich gelangtes Geschlecht ritterlicher Herkunft, das 1530 den österreichischen Adelsstand, 1632 den Freiherrenstand erlangte. Der Hauptsitz der Familie ist heute im Schloss Ebenthal in Kärnten, südlich von Klagenfurt. Dort besitzt man große Ländereien. Die G.s stellten zwischen vom 18. bis ins 20. Jahrhundert fünf Kärntner Landeshauptleute. Als Hausherr in Ebenthal fungiert heute Leopold G. (47). Sein Onkel Kari ist wiederum mit der Milliardärin und Mäzenin Heidi Horten verheiratet.

Prächtige Fresken im Schloss Ebenthal in Kärnten, dem Sitz des Adelsgeschlechts (Bild: Uta Rojsek-Wiedergut)
Prächtige Fresken im Schloss Ebenthal in Kärnten, dem Sitz des Adelsgeschlechts

Ein entfernter Verwandtschaftszweig hat sich durch Heirat im Schloss Bockfließ niedergelassen, das früher im Besitz der Grafen von Abensperg und Traun war. Am Donnerstag hat Graf Tono hier seinen Vater Ulrich, Bruder Ernst und seine Stiefmutter Margherita C. F. mutmaßlich getötet. Letztgenannte war in erster Ehe mit dem 2008 verstorbenen Manfred Ritter Mautner von Markhof verheiratet.

Kronen Zeitung

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