Proteste in Ungarn

Oppositionelle gewaltsam aus Staats-TV entfernt

Ausland
17.12.2018 12:39

Die seit über einer Woche andauernden Proteste gegen ein neues Arbeitszeitgesetz in Ungarn, das eine massive Ausweitung der Überstunden bei gleichzeitiger Verlängerung des Auszahlungszeitraums vorsieht, haben in der Nacht auf Montag eine neue Eskalationsstufe erreicht. Während sich auf den Straßen Budapests rund 10.000 Menschen versammelt hatten und „Orban, hau ab!“, „Wir haben genug!“ und „Dreckige Fidesz!“ riefen, versuchten 13 Mitglieder der Opposition eine gemeinsame Liste mit fünf Forderungen an die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk zu verlesen. Die Parlamentsabgeordneten verbrachten die Nacht im Gebäude des TV-Senders. Nach mehreren Versuchen, zu den Studios vorzudringen, wurden einige Politiker in den Morgenstunden gewaltsam aus dem Gebäude entfernt.

„Für das, was heute passiert ist, gibt es keine Worte. Aber vielleicht ist das der Tiefpunkt“, erklärte Akos Hadhazy von der Partei Lehet mas politika (Eine andere Politik ist möglich) nach seinem Rauswurf. Die tumultartigen Szenen im Hauptquartier des ungarischen Staatsrundfunks MTVA wurden von der ehemaligen Parteikollegin Bernadett Szel mittels Handykamera festgehalten (siehe unten). Hadhazy hatte nach mehreren Versuchen, das massiv postierte Sicherheitspersonal zu einem Durchlassen zu überreden, über ein Stiegengeländer versucht, in die oberen Etagen zu gelangen.

Oppositionspolitiker Akos Hadhazy wurde unsanft aus dem Rundfunkgebäude geführt. Zuvor hatte er mehrmals versucht, in die Studios vorzudringen. (Bild: facebook.com, krone.at-Grafik)
Oppositionspolitiker Akos Hadhazy wurde unsanft aus dem Rundfunkgebäude geführt. Zuvor hatte er mehrmals versucht, in die Studios vorzudringen.

Opposition spricht von „illegalem Einschreiten“
Doch auch dieser Versuch wurde abgewehrt (siehe Tweet unten). Im Zuge einer Rangelei mit den Securitys kam Hadhazy zu Sturz. Anschließend wurde er von vier bewaffneten Sicherheitsmännern hinausgetragen, wenig später wurde auch Szel hinausgedrängt. Über diese „illegale Aktion“ herrscht seither Aufregung innerhalb der Opposition, denn aus ihrer Sicht hat es sich um eine rechtswidrige Handlung gegenüber „öffentlichen Beamten“ gehandelt. Parlamentsabgeordneten ist per Gesetz gestattet, sich in Gebäuden öffentlicher Behörden ungehindert zu bewegen - und dazu zählt auch das Rundfunkgebäude. Auf dieses freie Bewegungsrecht beriefen sich auch die als „Unruhestifter“ bezeichneten Politiker während ihres stundenlangen Kampfes.

Hier die Forderungsliste der Opposition:

  • Sofortige Rücknahme des neuen Arbeitszeitgesetzes („Sklavengesetz“)
  • Reduzierung der Überstunden für Polizeibeamte
  • Unabhängige und nicht von Orbans Partei Fidesz kontrollierte Justiz
  • Ungarns Beitritt zur EU-Staatsanwaltschaft, die im Jahr 2017 gegründet wurde
  • Unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Sender reagierte auf „Störung des Betriebs“
MTVA begründete das Einschreiten des Sicherheitspersonals damit, dass sein „Betrieb gestört“ worden sei. Gegen die Oppositionellen wurde Anzeige erstattet. Zu jenen Oppositionsabgeordneten, die trotz des Zwischenfalls weiterhin im Inneren des Gebäudes ausharren, gesellten sich am Montagvormittag acht weitere Politiker der Linken und der Rechten hinzu. Sie seien über den Zaun gestiegen und durch eine Hintertür in das Gebäude gelangt, berichtete die Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins „168 ora“. Es kam erneut zu Rangeleien. Für Montagabend sind weitere Proteste angekündigt.

Demonstrationen auch in anderen Städten
Parallel zur Budapester Aktion wurde am Sonntag auch in sechs anderen ungarischen Städten demonstriert, etwa in Györ und Debrecen. Laut Aussendung der Polizei verliefen die Demonstrationen friedlich.

„Weihnachtsfest, das Orban nie vergessen wird“
Mittlerweile haben sich alle Oppositionsparteien den Protesten angeschlossen. „Wir haben genug, allein zu kämpfen“, sagte Timea Szabo von der Partei Parbeszed (Dialog). Anna Donath von der Kleinpartei Momentum wünschte Viktor Orban zum Abschluss der Demonstration ein frohes Weihnachtsfest, „das Sie nie vergessen werden“. Der Bischof von Vac, Miklos Beer, hatte in einem Brief an die Organisatoren der Demonstrationen betont: „Ich achte Euch für Eure Ausdauer, dafür, dass Ihr Euch trotz Kälte bei dem Erreichen Eurer Ziele gegenseitig unterstützt.“ Laut dem Bischof seien die Menschen verbittert, da ihre Stimme nicht gehört werde.

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