Neues Gutachten

Ist Robert K. (16) doch nicht zurechnungsfähig?

Wien
17.12.2018 17:49

Ist Robert K. (16), der mutmaßliche Mörder der kleinen Hadishat, doch nicht zurechnungsfähig? Kurz vor dem Prozessbeginn am kommenden Mittwoch sorgt ein neues Gutachten für Aufsehen. Demnach sei der 16-Jährige nicht schuldfähig.

Damit widerspricht Werner Gerstl, Facharzt für Kinderheilkunde, Kinder- und Jugendneuropsychiatrie und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger in Linz, dem von der Staatsanwaltschaft bestellten Erstgutachter Peter Hofmann.

Schwerwiegende Persönlichkeitsstörung festgestellt
Der führende Gerichtspsychiater war zum Schluss gekommen, dass der 16-Jährige zum Tatzeitpunkt zwar eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung und eine Zwangsstörung aufwies. Seine Diskretions- und Dispositionsfähigkeit waren laut Hofmann allerdings nicht aufgehoben, sodass nach dessen Dafürhalten beim 16-Jährigen Zurechnungsfähigkeit und Schuldfähigkeit gegeben waren.

(Bild: Zwefo, facebook.com, krone.at-Grafik)

Hofmann empfahl für den Fall eines Schuldspruchs wegen Mordes die Unterbringung des Jugendlichen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, weil er diesen für derart gefährlich hält, dass ohne im Maßnahmenvollzug gewährleistete therapeutische Behandlung neuerlich mit Straftaten mit schweren Folgen gerechnet werden muss.

166 Seiten zu Robert K.s Psyche
Das neue Gutachten umfasst 166 Seiten. Am Ende seiner Ausführungen kommt der Linzer Facharzt für Kinderheilkunde und Kinder- und Jugendneuropsychiatrie zum Ergebnis, dass zum Tatzeitpunkt eine Schizophrenie und Zwangsstörungen als „handlungsbestimmende Kräfte“ wirksam waren, die beim Angeklagten eine Zurechnungsunfähigkeit bewirkt haben sollen.

Wie Gerstl ausführt, dürfte es beim Angeklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der fünften Klasse Mittelschule zum Abbau von Interessen, zur Störung der Konzentration und einem von einer Psychose verursachten Leistungsknick gekommen sein, die der Sachverständige auf eine Frühform einer Schizophrenie zurückführt. Diese habe sich bis zur gegenständlichen Straftat über Monate symptomatisch weiterentwickelt. Insofern habe - so Gerstl - „eine psychopathologische Kontinuität bestanden“.

Familie verdrängte Wesensveränderungen 
Der Gutachter ist überzeugt, dass - bezogen auf die Bluttat - „die Folgen der über lange Zeit unentdeckten und fachlich unversorgten Schizophrenie (...) handlungsbestimmend waren“. Mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ dürfte der Bursch versucht haben, seine Eltern „auf (...) Veränderungen seiner Wahrnehmungsqualität aufmerksam zu machen“. In der Familie hätten aber sowohl die Einfühlbarkeit als auch das Wissen um solche Phänomene gefehlt bzw. wären die Wesensveränderungen des Burschen verdrängt worden, vermutet der Gutachter.

Dem 16-jährigen Robert K. wird vorgeworfen, seine sieben Jahre alte Nachbarin am 11. Mai in der Wohnung seiner Familie im Wiener Bezirk Döbling getötet zu haben. Anschließend zerstückelte er die Leiche und entsorgte sie in Müllcontainern der Gemeindebauanlage.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen
Der Mordprozess gegen den 16-Jährigen findet am kommenden Mittwoch unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt. Justiz und Verfassungsschutz sind um die Sicherheit des Angeklagten besorgt. Nach der aufsehenerregenden Bluttat in einer Döblinger Gemeindebau-Anlage hatten Angehörige und Personen aus dem Umfeld der betroffenen tschetschenischen Familie Blutrache geschworen. Der Tatverdächtige wurde daher nach seiner Festnahme in ein Gefängnis bzw. in eine psychiatrische Einrichtung in einem anderen Bundesland verlegt.

Aktuell sollen sich ein Cousin und ein Onkel der Getöteten in der Justizanstalt Josefstadt in Haft befinden. Einer der beiden wurde erst vor Kurzem wegen Raubes und anderer Delikte erstinstanzlich verurteilt. Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung geht davon aus, dass der junge Mann zu den gefährlichsten Mitgliedern der tschetschenischen Community in Wien zählt.

Hadishats Vater weiterhin flüchtig
Der Vater der getöteten Siebenjährigen saß wiederum zuletzt in Südtirol wegen Schlepperei im Gefängnis. Im Juni kehrte er von einem genehmigten Freigang nicht in die Justizanstalt zurück. Seither ist er von der Bildfläche verschwunden. Angeblich soll er sich nach Tschetschenien abgesetzt haben, wo die Leiche seiner Tochter bestattet wurde. Es wird allerdings befürchtet, der Mann könne versuchen, zur Verhandlung gegen den 16-Jährigen zu erscheinen.

Die Verteidigerin des 16-Jährigen, Liane Hirschbrich, war am Montagabend nicht erreichbar. Dem Vernehmen soll die Anwältin zur Hauptverhandlung zwei Leibwächter angeheuert haben, die ihre körperliche Unversehrtheit garantieren sollen.

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