Mordprozesses unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen: Robert K. (16), der im vergangenen Mai in einer Gemeindebauanlage in Wien-Döbling das siebenjährige Nachbarsmädchen Hadishat getötet haben soll, erschien in Schutzweste vor dem Wiener Landesgericht, seine Anwältin mit eigens angeheuertem Bodyguard. Ein Großaufgebot von Polizei und Justizwache bezog Stellung. „Ich bekenne mich schuldig“, sagte Robert K. zu Beginn seiner Befragung. Im Fokus der Verhandlung steht nun die Frage der Zurechnungsfähigkeit zum Tatszeitpunkt. Die beiden Gutacher widersprechen sich diesbezüglich in ihren Expertisen.
In klaren Worten erklärte Robert K., Stimmen hätten ihm die Bluttat befohlen. „Eine Stimme im Kopf hat gesagt, dass ich sie würgen soll. Das tat ich auch. Ich habe weitere Anweisungen gehört. Dass ich sie in die Duschkabine bringen soll, ein Messer holen und zustechen soll.“ Weitere Details wollte er nicht preisgeben: „Ich kann es nicht noch näher schildern. Ich kann mich nicht erinnern, den Kopf ganz abgetrennt zu haben.“ Nach der Tötung hätte ein Freund an der Tür geläutet. Er habe aufgemacht, der Freund habe die Leiche gesehen. „Er hatte Angst und war geschockt“, berichtete der 16-Jährige. Er habe dann alleine die Leiche gewaschen, „in ein Sackerl gepackt und entsorgt“. Die Stimme habe ihm gesagt: „In den Müll.“
„Höre den ganzen Tag Stimmen“
Die Stimmen höre er schon seit Jahren, meinte der Angeklagte. Einmal sei er mit einem Messer vor dem Bett seines Vaters gestanden und sei zum Zustechen aufgefordert worden: „Ich konnte mich dagegen wehren.“ Die Stimmen höre er „den ganzen Tag“. Darüber hinaus nehme er auch Personen wahr, die - wie er nach seiner Festnahme erfahren habe - in Wahrheit gar nicht existieren. In diesem Zusammenhang erwähnte er eine 15-Jährige namens Antonia Weißenberg: „Ich dachte, die war real. Die war immer da, wenn ich sie gebraucht habe.“
Wenn er sich den Stimmen widersetze, bekomme er Kopfweh. Von den Stimmen hätte er befreundeten Burschen aus der Nachbarschaft erzählt: „Ich habe mir keine Hilfe erwartet. Ich wollte, dass meine Freunde wissen, wie es mir geht.“ Die Frage eines Geschworenen, ob er die Stimmen auch jetzt höre, bejahte der 16-Jährige: „Sie sagen mir, dass ich mich beruhigen soll, dass es nicht so schlimm ist.“
„Am Hals gepackt und gewürgt“
Der 16-Jährige habe das Mädchen „brutal getötet“, sagte die Staatsanwältin in ihrem Eingangsplädoyer. Ende 2017 hätte der Bursch begonnen, sich mit dem Thema Mord auseinanderzusetzen und sich überlegt, „was die beste Variante wäre“. Am 11. Mai 2018 hätten sich die Mordgedanken des Schülers „manifestiert“. Eine Siebenjährige, die mit ihrer Familie in derselben Gemeindebau-Anlage lebte, hatte an diesem Tag den Angeklagten und dessen jüngeren Bruder - wie oft zuvor in der Vergangenheit - besucht. Das Mädchen spielte mit dem kleinen Bruder auf der Playstation, der 16-Jährige gab ihr danach ein Eis, ehe er sie - wie die Staatsanwältin ausführte - „mit den Händen am Hals gepackt und gewürgt hat“. Die Siebenjährige habe gehustet, der Angeklagte habe darauf „beschlossen, ihr den Hals abzuschneiden“, sagte die Staatsanwältin. Daher habe er das Mädchen ins Badezimmer bugsiert, in die Dusche gestellt, aus der Küche ein Messer geholt, das Mädchen mit der linken Hand fixiert und mit der rechten Hand „Sägebewegungen“ mit dem Messer ausgeführt. Ein Halsschnitt hätte zum Tod geführt.
„Er ist so schwer krank, dass er nicht weiß, was er tut und nicht Recht von Unrecht unterscheiden kann“, meinte Verteidigerin Liane Hirschbrich. Ihr Mandant sei „psychisch sehr schwer krank“, insistierte die Anwältin.
Strengste Sicherheitsvorkehrungen
Es herrschen strengste Sicherheitsvorkehrungen in und um das Gerichtsgebäude. Vor dem Eingang hatte sich gegen 8 Uhr eine meterlange Warteschlange gebildet - ebenso wie vor einer technisch hochmodernen mobilen Schleuse, über die man Zutritt zur Verhandlung erhielt. Im Saal, wo ebenfalls zahlreiche bewaffnete Sicherheitskräfte postiert sind, gibt es keinen Internetempfang. Für das gesamte Landesgericht gilt ein absolutes Fotografier- und Filmverbot.
Auch Geschworene streng kontrolliert
Auch die Geschworenen mussten sich strengen Sicherheitskontrollen im Eingangsbereich und vor dem Gerichtssaal unterziehen, was nicht jedem Laienrichter behagte. Einer protestierte ein wenig. Den Hinweis der Polizeikräfte, die Maßnahme diene auch seiner eigenen Sicherheit, ließ der Geschworene nicht gelten: „Ich fürchte mich nicht. Vor niemandem.“
20 Minuten vor der Verhandlung erschien die Verteidigerin von Robert K., Liane Hirschbrich, die von einem hünenhaften Leibwächter in den Gerichtssaal geleitet wurde. Dem Vernehmen nach soll sie diesen eigens für die Verhandlung angeheuert haben. Der Angeklagte, Robert K., trug eine Stichschutzweste, als er das Gebäde betrat.
Gutachten im Fokus der Verhandlung
Die Verhandlung findet ausgerechnet am achten Geburtstag des getöteten Mädchens statt. Zeugen sind keine geladen. Nach der Einvernahme des Angeklagten kommen die Gutachter zum Wort, wobei Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp begann. Der von der Staatsanwaltschaft beigezogene Gerichtspsychiater Peter Hofmann bescheinigte dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt und damit grundsätzlich Schuldfähigkeit. Damit könnte - sollten die Geschworenen Hofmann folgen - der 16-Jährige wegen Mordes bestraft werden, wofür das Jugendgerichtsgesetz einen Strafrahmen von bis zu 15 Jahren vorsieht.
Gutachter: „Vollbild der Schizophrenie“ erst nach Bluttat
Der 16-Jährige habe im vergangenen Mai, als er auf das sieben Jahre alte Mädchen losging, neben erheblichen Zwangsstörungen - einem Kontroll- und Waschzwang mit bis zu 40-maligem Händewaschen am Tag - und einer Neigung zu Selbstüberhöhung eine narzisstisch-schizoide Persönlichkeitsstörung aufgewiesen, erläuterte der Hofmann. Die schizophrene Erkrankung habe sich aber erst „im Vorstadium“ befunden, sagte Hofmann. „Die schizophrene Erkrankung war zum Zeitpunkt der Tat nicht handlungsbestimmend“, stellte der langjährige Gerichtsgutachter fest. Dem Bursch hätten allenfalls „Vorläufersymptome“ zu schaffen gemacht. Erst mit Ende Juni habe sich „ein Vollbild der Schizophrenie“ herausgebildet.
Für den Fall einer anklagekonformen Verurteilung sprach sich der Sachverständige für die zusätzliche Einweisung des Burschen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aus. Er stufte den Angeklagten aufgrund seiner geistig-seelischen Veranlagung als hochgefährlich ein. Hinsichtlich des Motivs bemerkte der Gerichtsgutachter: Bei seiner ersten Begegnung mit dem 16-Jährigen hätte dieser noch nicht von Stimmen und Erscheinungen gesprochen, sondern habe ihm erklärt, er habe „wissen wollen, wie es ist, wenn man jemanden tötet“.
Mit Spannung wird noch auf die Ausführungen von Werner Gerstl gewartet, der den Burschen aufgrund einer jahrelang unbehandelten Schizophrenie für nicht schuldfähig hält.
Racheakte angekündigt
Nach der aufsehenerregenden Bluttat in einer Döblinger Gemeindebau-Anlage hatten Angehörige und Personen aus dem Umfeld der betroffenen tschetschenischen Familie Blutrache geschworen. Der Tatverdächtige wurde daher nach seiner Festnahme in ein Gefängnis bzw. in eine psychiatrische Einrichtung in einem anderen Bundesland verlegt.
Aktuell sollen sich ein Cousin und ein Onkel der Getöteten in der Justizanstalt Josefstadt in Haft befinden. Einer der beiden wurde erst vor Kurzem wegen Raubes und anderer Delikte erstinstanzlich verurteilt. Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung geht davon aus, dass der junge Mann zu den gefährlichsten Mitgliedern der tschetschenischen Community in Wien zählt.
Hadishats Vater weiterhin flüchtig
Der Vater der getöteten Siebenjährigen saß wiederum zuletzt in Südtirol wegen Schlepperei im Gefängnis. Im Juni kehrte er von einem genehmigten Freigang nicht in die Justizanstalt zurück. Seither ist er von der Bildfläche verschwunden. Angeblich soll er sich nach Tschetschenien abgesetzt haben, wo die Leiche seiner Tochter bestattet wurde. Es wird allerdings befürchtet, der Mann könne versuchen, zur Verhandlung gegen den 17-Jährigen zu erscheinen.
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