Ihre Brustkrebserkrankung konnte der Schweizer Schlagerstar Francine Jordi geheim halten, nun hat sie sie glücklicherweise überstanden und steht wieder voll im Saft. Dem aktuellen und unzweideutig benannten Album „Noch lange nicht genug“ folgen zahlreiche Konzerte und morgen die Moderation in Linz beim traditionellen Silvesterstadl. Im großen Interview sprach Jordi mit uns über ihren Optimismus während der Krankheit, wie sie das Leben nun bewusster wahrnimmt und warum sie wirklich noch lange nicht genug hat.
„Krone“: Francine, vor genau 20 Jahren hast du mit dem Lied „Das Feuer der Sehnsucht“ für deine Heimat Schweiz den „Grand Prix der Volksmusik“ gewonnen - bei deinem ersten Antritt. Der Start zu einer wunderbaren Karriere. Was würdest du rückblickend als deine Höhepunkte bezeichnen?
Francine Jordi: Jedes Konzert ist ein kleiner Höhepunkt. Am Wichtigsten war schon 1998 der Grand-Prix-Sieg in Wien. Dass der Tag für mein weiteres Leben so wichtig sein würde, konnte ich damals noch nicht wissen. Es ging alles sehr schnell, aber der Tag hat mir wirklich sehr viel ermöglicht.
Hast du damals schon geahnt, dass du so lange an der Spitze des Schlagerbusiness sein könntest?
Nach dem Grand-Prix-Sieg dachte ich nur ein Jahr im Voraus. Die Anfragen nahmen aber nicht ab und die Konzerte zu. Das ging dann Jahr für Jahr so weiter und irgendwie sind seither 20 Jahre vergangen. Ich rechne nicht damit, dass es immer so läuft, aber freue mich natürlich über das bislang Erreichte.
Du hast dich musikalisch immer wieder verändert. Mal etwas mehr Schlager, dann wieder mehr Pop, dann wieder retour. Waren dir diese Sprünge wichtig, um nicht zu eng kategorisiert zu werden?
Schlager war es ja immer, aber es kommt auch darauf an, mit wem du zusammenarbeitest. In 20 Jahren verändert man sich auch als Mensch und die Musik ging immer mit mir mit. Jetzt ist sie an einem Punkt, wo sie reif, bodenständig und gelassen ist - so wie ich auch.
Wie hat dich dieser schnelle Erfolg als Person verändert?
Erst war es mir peinlich, erkannt zu werden. Es war so eine Art Schamgefühl, weil mich die Leute anstarrten, das musste ich erst gewohnt werden. Ich war in vielerlei Hinsicht ein bisschen naiv. Der größte Schritt war der in die Öffentlichkeit. Es gehört aber dazu, das ist ganz klar. Heute ist es noch viel extremer als damals. Ich war anfangs noch nicht mit Handys und Social Media konfrontiert und noch ziemlich behütet unterwegs. Man entschied selbst, wann man in die Zeitung möchte und wann nicht. (lacht)
Dein aktuelles Album „Noch lange nicht genug“ ist sehr fröhlich und lebensbejahend ausgefallen. Ein Resultat aus deiner wieder guten und gesunden Position in deinem Leben?
Ich war immer sehr lebensfroh und positiv. Das ist das erste Album, wo ich mit Tommy Mustac alles selber geschrieben habe. Er war auch für „Das Feuer der Sehnsucht“ verantwortlich und dieses Mal habe ich das meiste selbst verfasst. Jedes Lied, das ich singe, würde ich auch auf die Bühne bringen. Darum ist es auch so lebensfroh und positiv. Es spiegelt genau das wieder, was ich fühle. Mit dem Album konnte ich auch meine schwere Zeit besser verarbeiten.
Zum Thema Social Media - waren sie ein Mitgrund, dass du mit deiner lange geheim gehaltenen Brustkrebserkrankung nicht in die Öffentlichkeit gegangen bist?
Ich war ganz egoistisch und habe beschlossen, es niemandem zu sagen. Solange es keiner merkte, musste ich nichts sagen. Ich arbeitete immer weiter und zog mich nie zurück. Ich wollte mich auf mich selbst konzentrieren und keine Ratschläge oder Mitleid. Ich war fokussiert und wusste, wie es aussieht. So habe ich weiter gearbeitet und zum Glück hat das mein Körper zugelassen - das ist ja nicht selbstverständlich. Die OP, die Chemotherapie und die Bestrahlung waren kein Spaziergang, aber es ging gut. Ich konnte am Wochenende auf der Bühne stehen und für die Fans singen und sie haben sich immer ganz normal mir gegenüber verhalten. Die Freude an der Musik hat mir so viel Kraft gegeben, das war einfach nur schön.
War es immer klar für dich, dass du trotz der Diagnose weiterarbeiten würdest?
Mir hat das Singen auf jeden Fall geholfen. Ich konnte mich da total fallen lassen. Den Rest der Zeit habe ich mich geschont und keine weiteren Termine angenommen, aber ich konnte alle fixierten machen und war dankbar, dass das überhaupt ging. Die Ärzte hätten die Chance gehabt, die rote Karte zu zeigen und einzuschreiten, aber mir lag das am Herzen und es hat gut geklappt.
Wie wichtig war dein eigener Grundoptimismus in dieser schweren Zeit?
Ich kann das nur für mich beurteilen und mir hat er sehr geholfen. Ich konzentrierte mich immer aufs Positive. Ich musste keine Chemotherapie machen, ich durfte - so war meine Ansicht. Ich war dankbar, dass es überhaupt sowas gibt, um eine Heilung herbeiführen zu können.
Wie wichtig war der Rückhalt von Familie und Freunden?
Es wussten nur meine Eltern und meine Geschwister davon Bescheid - sonst niemand. Ich erzählte es nicht einmal meinen Freunden. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen, das so zu verheimlichen. Mein Manager und die Ärzte wussten es natürlich auch, ganz klar. Ich zog mich von meinen Freunden zurück und sie verstanden es nicht ganz. Ich musste schließlich meine Kraft gut einteilen. Kurz vor der Pressemitteilung informierte ich sie aber persönlich und ich bin stolz und dankbar, weil keiner auch nur mit einem Mucks etwas kritisierte, sondern es alle toll und richtig fanden, wie ich damit umging. Es war wichtig, dass ich da total egoistisch war. Früher hätte ich mehr Kompromisse gemacht und hätte an andere gedacht. Ich hatte einen Riesenrückhalt von meiner Familie, die mir immer half. Sie kauften für mich ein und waren permanent im Alltag präsent.
Hast du diesen gesunden Egoismus nun mitgetragen und wirst in künftig auch in deiner Karriere beibehalten?
Durchaus, das ist aber auch wichtig. Ich lasse nicht mehr alles mit mir machen und habe nicht mehr das Gefühl, immer etwas zu verpassen. Was für mich stimmt und guttut, das tue ich. Ich mache mehr und bewusstere Ruhepausen und wenn Feierabend ist, dann ist es auch wirklich vorbei. An den freien Tagen arbeite ich nicht, da setze ich klare Grenzen. Natürlich bin ich mit einem neuen Album ordentlich unterwegs, aber ich nehme mir danach viel mehr Auszeit als früher.
Inwieweit haben all diese negativen und am Ende auch positiven Erfahrungen deiner jüngeren Vergangenheit auf das Album eingewirkt?
Die erste Single „Da geht noch mehr“ dreht sich darum, aus dem Alltagstrott auszubrechen. Man sollte nicht immer nur bis Donnerstag hinarbeiten und dann nur mehr drei Tage leben oder nur immer auf den Urlaub hinarbeiten. Das Leben hat viel mehr zu bieten. Ich will, dass die Leute sehen, dass auch ein Montag ein geiler Tag sein kann. Man kann gesund aufstehen und sein Leben führen - das ist ein Riesengeschenk.
Nachdem du damit in die Öffentlichkeit gegangen bist, sind sicher viele Menschen gekommen, die dir immer noch mit Tipps und Rat und Tat zur Seite stehen wollten...
Ich wollte das nie, deshalb habe ich die Sache auch verschwiegen. Ich wollte mich nicht verunsichern lassen auf meinem Weg. Ich verstehe jede Reaktion auf so eine Diagnose, auch wenn jemand die ganze Zeit nur heult oder verzweifelt. So einen Weg einzuschlagen ist kein Spaziergang, aber jeder muss selbst wissen, wie er ihn geht.
Angelehnt an deinen Titel - wovon hast du jetzt noch lange nicht genug?
Vom Singen, vom Leben, vom Ausprobieren neuer Sachen. Ich war unlängst Paragliden, das war großartig. Ich will vom Leben viel mehr spüren.
Bist du nun auch mutiger geworden? Traust du dir mehr zu als früher, weil du das Leben anders siehst?
Mutiger bin ich nicht geworden, aber auch nicht leichtsinniger. Bewusst bin ich, das ist das richtige Wort.
Welchen Wert hat nach all diesen Erfahrungen dein Beruf im Vergleich zu früher? Die Bühne, das Studio, das Songschreiben, der Schlager an sich.
Mir das immer sehr wichtig, weil es immer mein Traumberuf war. Es gibt Fans, die mich schon mehr als 20 Jahre unterstützen. Sie wissen gar nicht, wie groß das Geschenk ist, dass sie mir machen.
Du hast einen Song namens „Heimat“ auf dem Album. Was bedeutet dir die Heimat und wie würdest du sie definieren?
Heimat ist dort, wo meine Liebsten sind. Es ist etwas sehr Kostbares und wir wissen oft gar nicht, wie gut wir es haben und wie friedlich und toll wir hier leben dürfen.
Was bedeutet dir Glück?
Wenn man gesund ist, dann hat man schon riesiges Glück. Der Rest ist Musik - zumindest für mich. Es geht um einfache Dinge. Glück ist auch ein Spaziergang mit meinem Hund Theo. Wenn ich mit dem Auto unterwegs habe ich ihn immer überall dabei. Jeder kennt ihn und er wird meist auch schon von mir begrüßt. (lacht) Wenn Theo wo nicht dabei ist, sind immer alle sehr traurig.
Gibt es von den 20 Jahren zurückblickend Dinge, die du anders machen würdest?
Ich habe Sachen gemacht, die ich jetzt nicht mehr machen würde, aber die hat es alle für die Entwicklung gebraucht. Jeden Tag, den ich erlebt habe, musste ich so erleben, damit ich meinen Weg gehen und klar und bewusst werden kann. Man macht Erfahrungen und trifft Entscheidungen. Das Wichtigste ist überhaupt einmal, Entscheidungen selbst zu treffen und nicht auf andere abzuwälzen. Jede Entscheidung ist ein Teil eines Mosaiks.
Gibt es musikalisch oder von der Karriereplanung her gesehen noch Ziele, die du unbedingt erreichen willst?
Wenn alles so weiterläuft, bin ich schon extrem zufrieden. Ich lebe eher den Tag und plane nicht allzu viel vor. Ich öffne die Hände, lasse die Geschenke zu mir kommen und genieße alles, was kommt. Ich lasse mich im Leben auch ein bisschen treiben und sehe alles einfach viel gelassener. Jetzt gibt es ein Album, das bringen wir raus und dann schauen wir mal, was passiert.
„Genieße den Moment“ ist einer der klassischsten Sprüche, den jeder gerne anwendet, aber kaum wer wirklich beherzigt.
Das weiß ich nicht, ich mache das jedenfalls so. Ich habe gelernt, jeden Tag zu genießen. Für manche ist das nicht wichtig und auch das ist absolut okay.
Du bist nun wieder in Linz beim „Silvesterstadl“ zu sehen. Eine ziemlich anstrengende Tätigkeit.
Fünf Stunden live - unglaublich. Ich bin wieder mit Jörg Pilawa dabei und das ist das vierte Mal, dass ich hier moderieren darf. Es ist eine große Freude für mich, weil Jörg ein extrem souveräner Moderator ist. Er muss keine Ellenbogen ausfahren, sondern ist tiefenentspannt und so können in der Sendung auch viele spontane Sachen passieren. Ich spiele 2019 dann einzelne Konzerte, aber keine wirklich große Tour. Ich freue mich total darauf, mit den Liedern durchzustarten und Vollgas zu geben.
Ist so eine Fünf-Stunden-Liveschaltung etwas, das dich noch nervös macht, weil da so viel danebengehen kann und du quasi keinen „doppelten Boden“ hast?
Es kann unfassbar viel danebengehen, aber wenn man sich darauf konzentriert, zieht man das Pech ohnehin nur an. Wir gehen mit Spaß in den Abend und schauen mal, was passiert. Selbst wenn der Satellit ausfällt, machen wir halt in der Halle weiter und die Leute daheim sehen einen Film. Ich konzentriere mich auf das Positive, alles andere wäre Blödsinn. Ich könnte genausogut auf die Toilette laufen und mir könnte ein Kronleuchter auf den Kopf fallen. Es reicht, wenn man sich mit einem Problem dann auseinandersetzt, wenn es da ist. So wie bei meiner Krankheit: Ich wollte keine Nebenwirkungen wissen und auch nicht, was alles passieren könnte. Ich verbat meinen Ärzten, mir irgendetwas davon mitzuteilen. Was passiert, das passiert ohnehin. Aber sich schon im Vorhinein wahnsinnig machen lassen, das ist einfach sinnlos.
Hast du jemals bereut, dass du nach deiner Gesundung doch damit in die Öffentlichkeit gegangen bist? Möglicherweise hättest du den Brustkrebs sogar auf ewig geheim halten können.
Hätte ich wahrscheinlich wirklich so machen können, aber dann hätte ich lügen müssen und das wollte ich nie. Ich wollte auch keine komischen Fragen hören. Warum diese Typveränderung und ob da ein neuer Mann wäre. Ich rede derzeit einmal mit jedem darüber und dann ist das Thema aber auch erledigt.
Zu dem Thema Mann hast du im Song „Radio“ wohl eine unmissverständliche Textzeile eingebaut. „Ich geh nicht gleich auf Partnersuche, nur weil ich mal Single bin“.
Manche empfinden das Single-sein offenbar als Krankheit, ich sehe es aber als schön an. Wenn es passt, ist es gut, wenn nicht, dann eben nicht. Ich finde es sinnvoller ein Single zu sein, als nur deshalb eine Beziehung zu führen, weil man Angst hat, immer alleine zu sein. Das würde für mich nicht stimmen. Ich bin gerne alleine, freue mich dann aber auch, wenn ein Partner mein Leben bereichert.
Brauchen wir heute mehr denn je zuvor einen „Musikantenstadl“, oder war die Absetzung dieser Sendung damals korrekt?
Ich glaube, dass die Welt viel mehr Schlager braucht. Alles ist voll mit negativen Schlagzeilen, schlimmen Meldungen und Panikmache. Die Welt würde viel mehr heile Welt brauchen. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der mit einer schlechteren Laune vom Schlagerkonzert heimgeht, als er gekommen war. Er ist vielleicht betrunkener, aber sicher nicht schlechter drauf. Es ist eine positive Musik, man kann die Sau rauslassen, Energie tanken und kurz mal die Sorgen vergessen.
Klaas Heufer-Umlauf hat in Bayern unlängst bewiesen, dass Schlager auch mit Inhalten gefüllt werden kann, als er bei einem Spontanauftritt Gabaliers „Hulapalu“ auf sozialkritisch und politisch umgetextet hat.
Der Schlager kann schon auch politisch sein, aber will man das? Ich zum Beispiel will es nicht, weil die Menschen mit diesen Themen schon ausreichend konfrontiert sind. Die Aktion von Klaas war lustig und ich bin sicher, dass es ein paar gar nicht gecheckt haben, dass der Text anders ist. Es haben auch schon andere Künstler ernstere Texte gemacht. „Griechischer Wein“ entstand auch aus einer politischen Situation. Ich möchte jetzt für mich aber nicht in diese Rolle gedrängt werden.
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