„Der Spiegel“ deckt einen Betrüger aus seinen eigenen Reihen auf: Claas Relotius ist preisgekrönter Journalist und schreibt seit Jahren für das deutsche Nachrichtenmagazin, doch wie nun bekannt wurde, ist vieles in seinen Geschichten erfunden. Das Magazin zeigt sich sehr betroffen und bittet um Entschuldigung. Man will den Fall von einer Kommission aufarbeiten lassen.
„Claas Relotius hat alle geblendet. Chefredakteure, Ressortleiter, Dokumentare, Kollegen, Journalistenschüler, Freundinnen und Freunde. In diversen Jurys haben sich Bischöfe und Unternehmer, Menschenrechtler und Medienschaffende, Politiker und Mäzene verzückt über seine Texte gebeugt, und zu Recht: Sie waren oft groß und schön“, schreibt Chefredakteur Ullrich Fichtner auf „Spiegel online“.
Chefredakteur und Ressortleitern Betrug gestanden
Die Texte waren allerdings zu schön, um wahr zu sein. Vieles hat der 33-Jährige einfach erfunden. Als der Druck zu groß wurde, weil ein Kollege Verdacht schöpfte und Relotius‘ Storys nachrecherchierte, gab sich dieser als Betrüger zu erkennen. Er setzte sich den Schilderungen zufolge mit seinen Ressortleitern und einem Chefredakteur zusammen und gestand, vieles in seinen Storys erfunden zu haben.
Aufgedeckt wurde der Skandal aufgrund einer Story namens „Jaegers Grenze“. Darin geht es um eine Bürgerwehr an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, die verhindern will, dass Flüchtlinge aus dem Süden in die Vereinigten Staaten kommen. Relotius, der von CNN zum „Journalist of the Year“ gewählt wurde, erzählt darin unter anderem von Begegnungen mit Mitgliedern der Bürgerwehr, die er in Wahrheit nie getroffen hat. Er berichtet auch über eine Mutter und ihren Sohn, die sich von Honduras in die USA aufmachen.
Wie der Betrug so lange unentdeckt bleiben konnte, ist nicht ganz klar. „Bereits heute wird jeder Text, der im ,Spiegel‘ gedruckt wird, parallel durch die Dokumentation bearbeitet, die alle Tatsachenbehauptungen auf ihre Korrektheit hin überprüft“, erklärt Fichtner.
„Ich neige dazu, die Kontrolle haben zu wollen“
„,Ich neige dazu‘, sagt er, ,die Kontrolle haben zu wollen. Und ich habe diesen Drang, diesen Trieb, es doch irgendwie zu schaffen. Man schafft es natürlich nicht. Man schafft eine Fälschung.‘ Wenn er ,man‘ sagt an dieser Stelle, kann er nur sich meinen und niemanden sonst“, gibt Fichtner Einblick in das Gespräch mit Relotius. Man merkt, dass Fichtner und seine Kollegen beim „Spiegel“ schwer getroffen sind.
„Sein Elend wird ins Unermessliche wachsen“
Als Fichtner Relotius‘ Lügen und Erfindungen einer Story über eine Stadt in den USA aufzählt, stellt er fest: „All das ist gelogen, einfach alles, es ist ausgedachter Mist.“ Schon etwas früher im Text versichert er seinem ehemaligen Kollegen, der am Montag kündigte, dass man „ihm, dem Ertappten, am Ende kein einziges Wort mehr glauben wird“. „Sein Elend wird ins Unermessliche wachsen.“
Die Leitung des „Spiegel“ will eine Kommission aus internen und externen Experten einsetzen. Sie sollen den Hinweisen auf Fälschungen nachgehen. Die Ergebnisse sollen öffentlich dokumentiert werden.
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