Buslenker sauer:

„Beim KV von eigener Gewerkschaft verraten“

Österreich
26.01.2019 16:19

Der neue Kollektivvertrag (KV) für die rund 15.000 Lenker bei Österreichs privaten Busunternehmen hatte bereits während der Verhandlungen im Jahr 2018 zwischen der Gewerkschaft vida und der Wirtschaftskammer-Fachsparte für Autobusse für viel Aufregung bei Angestellten der ÖBB-Postbus AG gesorgt. Zentralbetriebsratschef Robert Wurm sprach im Juli von einem „Verrat“ der eigenen Arbeitnehmer. Nun ist der neue KV seit Anfang Oktober gültig und die betroffenen Postbus-Lenker spüren die konkreten Auswirkungen in ihren Geldbörsen. Gegenüber krone.at gaben sich mehrere Chauffeure aus Wien fassungslos über die Ausweitung der Arbeitszeiten und des Durchrechnungszeitraums für Überstunden bzw. den Wegfall von Zulagen. Den von der vida als „ausgezeichneten Abschluss“ bezeichneten KV können weder Wurm noch betroffene Kollegen bestätigen.

„Es ist eine echte Schweinerei. Die vertreten uns überhaupt nicht. Ich würde gerne wissen, was die Herrschaften bekommen haben, die diesen Vertrag für uns unterschrieben haben“, meint ein Postbus-Lenker, der lieber anonym bleiben möchte. Sein Kollege, der den eigenen Namen ebenfalls nicht in den Medien lesen will, überlegt sogar, aus der Gewerkschaft auszutreten.

„Das gibt es in keiner Branche“
Betriebsratschef Wurm reitet auch heftige Attacken gegen die Gewerkschaft: „Man kann nicht gegen den Zwölf-Stunden-Arbeitstag demonstrieren und gleichzeitig diesen Kollektivvertrag unterschreiben, der eine massive Verschlechterung für viele Fahrer bedeutet.“ Von den rund 4000 Fahrern in seinem Betrieb hätten durch die Zusammenführung mehrerer Kollektivverträge rund 600 nun einen Vorteil, die anderen würden aber durch die Finger schauen. „Das gibt es in keiner Branche, dass man einer Gruppe etwas wegnimmt, um der anderen etwas zu geben“, schüttelt Wurm den Kopf.

(Bild: APA/Hans Punz)

Ärger wegen Zulagen-Streichung und Arbeitszeitausweitung
Damit spricht der Zentralbetriebsrat die Tatsache an, dass es zwar eine Gehaltserhöhung um 218 Euro brutto auf 2126 Euro brutto gebe, doch die Erschwerniszulage für Lenker, die größere Busse steuern, dafür gestrichen werde. „Da reden wir von mindestens 177 Euro netto im Monat.“ Nun müsste man ein bis zwei Tage mehr pro Monat arbeiten, um das gleiche Gehalt wie bisher zu bekommen. Durch die Ausweitung der Durchrechnungszeiträume für Überstunden von einer auf fünf Wochen und die Ausweitung der Normalarbeitszeit von acht auf zehn Stunden seien auch 50-Stunden-Wochen möglich.

„Unfreiwilliger Zeitausgleich“
„Es kann sein, dass ich vier Wochen lang arbeite und so auf meine 200 Stunden komme und in der fünften Woche in Zeitausgleich gehen muss, obwohl ich da eigentlich gar nicht frei haben möchte. So viel zur Freiwilligkeit“, meint ein weiterer Postbus-Chauffeur, der Arbeit und Familie mit Kindern unter einen Hut bringen muss. Da die Busfahrer schon jetzt „zum Teil am Limit arbeiten“ würden, wie es der Wiener ausdrückt, verstehe er den Unmut vieler anderer Kollegen über den neuen KV gut: „Die Belastung ist sehr hoch. Man darf auch nicht vergessen, dass wir für die Sicherheit der Fahrgäste verantwortlich sind.“

Einige Postbus-Lenker hatten auf ähnliche Maßnahmen der vida gehofft wie beim Eisenbahner-Warnstreik im November 2018. (Bild: APA/Helmut Fohringer)
Einige Postbus-Lenker hatten auf ähnliche Maßnahmen der vida gehofft wie beim Eisenbahner-Warnstreik im November 2018.

„Werden Klage beim Arbeitsgericht einbringen“
Wurm und seine Betriebsratskollegen versuchen nun, mittels eigenen Betriebsvereinbarungen den KV etwas zu „entschärfen“. Zudem wolle ein Kollege über seine Rechtsschutzversicherung eine Klage einzubringen, da dieser nun „nachweislich 126 Euro netto pro Monat verliert“, erklärt der Zentralbetriebsratsvorsitzende. „Aber auch wir als Betriebsratskörper werden beim Arbeitsgericht eine Klage wegen Nichteinhaltung einer bestehenden Betriebsvereinbarung über die Berechnung der Normalarbeitszeit für KV-Lenker einbringen“, kündigt Wurm an.

krone.at hat sich auch bei anderen privaten Busbetrieben umgehört, aber Kritik in dieser Schärfe nicht wahrnehmen können. „Bei uns sind alle im Großen und Ganzen zufrieden. Die monatliche Berechnung ergibt zwar durch den Wegfall der Erschwerniszulage ein kleines Minus, aber dieses wird mit dem 13. und 14. Gehalt nicht nur ausgeglichen, es schaut am Ende sogar ein Plus für uns heraus“, widerspricht Günther Navratek, Betriebsrat bei Dr. Richard. Navratek sieht die Postbus GmbH als „Sonderfall“.

(Bild: thinkstockphotos.de)

Gewerkschaft versteht Ärger nicht, spricht von Gehaltsplus
Die Gewerkschaft vida schlägt in dieselbe Kerbe und spricht insgesamt von einem Gehaltsplus von rund 600 Euro netto. Der Grund: Für jene, die bisher die Erschwerniszulage bekommen haben, bedeute der Einbau dieser Zulage in das Grundgehalt unter anderem ein höheres Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie ein höheres Krankengeld. Den Vorwurf, man habe zu schnell dem KV zugestimmt, lässt man bei der vida ebenso wenig gelten. „Die Gespräche haben zwei Jahre angedauert. In unserem Verhandlerteam sind Betriebsräte aus vielen Busunternehmen. Wir erreichen hier eine Abdeckung von 80 Prozent der Betriebe“, stellt vida-Fachbereichssekretär Karl Delfs klar.

Er gibt aber zu, dass die unterscheidlichen Dienstrechte bei der Postbus GmbH die Gespräche „sehr anspruchsvoll gemacht haben“. Doch auch jene Gruppe, die nun Kritik an der Gewerkschaft übt, habe eine „von vida-Betriebsräten verhandelte Kompensation“ erhalten. Besonders auf diesen „Erfolg“ ist Delfs stolz: „Innerhalb weniger Monate wurde das Grundgehalt der Buslenker insgesamt um 14,7 Prozent erhöht. Eine derartige Erhöhung ist uns aus keinen anderen KV-Runden bekannt.“

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