Jahrelang wurde spekuliert, gewartet, gehofft. Am Dienstag war es so weit: Christian Thielemann hat sein Debüt beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker bestritten und alle Erwartungen erfüllt. Der Deutsche gab am Pult im Goldenen Saal des Musikvereins den Kapellmeister und vereinte gediegene Traditionspflege mit intellektuellem Esprit. Weltweit wurde mitgefeiert. Auch die Polit-Prominenz, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebsatian Kurz und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, war zahlreich erschienen.
Dass Thielemann ein Freund der Philharmoniker ist, weiß man. Ebenso, dass sein Terminplan wenig Spielraum zulässt. „Wir haben lange gewartet auf dieses Neujahrskonzert mit ihm“, hatte zuletzt auch Daniel Froschauer, Vorstand des Orchesters, betont. Und dieses legte am Dienstag auch gleich los, als ob man Jahre nachholen wollte. Viel des Elans und der Forte-Freude war aber wohl dem Dirigat zu verdanken, das vom wohldosierten Rums-Effekt geprägt war.
Die preußisch-österreichischen Festspiele begannen stilecht mit dem „Freiherr-von-Schönfeld-Marsch“ von Carl Michael Ziehrer, bei dem Thielemann seine Visitenkarte als Verfeinerer von Wiener Orchestertradition ablieferte. Traditionell auch die musikalischen Huldigungen diverser Jubiläen: Mit dem Walzer „Transactionen“ von Josef Strauß wurden die nun 150 Jahre andauernden diplomatischen Beziehungen Österreichs mit Japan gefeiert.
150 Jahre Hofoper
Zweiter freudiger Anlass des angebrochenen Jahres, der auch den Pausenfilm beherrschte: der 150. Geburtstag der Hofoper an der Wiener Ringstraße, aus der schließlich die Staatsoper hervorgehen sollte. Die Rundreise durch das Haus gab Einblicke in die Probearbeit der Publikumslieblinge. Die musikalische Huldigung erfolgte unter anderem durch die Polka francaise „Opern-Soiree“ von Eduard Strauß.
Wie jedes Jahr trafen im Programm Bekanntes („Künstlerleben“) auf Exoten („Die Tänzerin“), Gehaltvolles („Sphärenklänge“) auf Oberflächliches („Lob der Frauen“). Seine Stärken ausspielen konnte Thielemann vor allem dort, wo das Opernhafte lauert, wie beim Walzer „Nordseebilder“ von Johann Strauß Sohn oder dessen Ouvertüre zum „Zigeunerbaron“. Märsche und Polkas peitschte Thielemann geschmackvoll, kontrolliert und rasant voran. Die bereits im Sommer gedrehten Balletteinlagen stammten vom Jungchoreografen Andrey Kaydanovskiy.
Dass unter Thielemann nicht der teutonische Bierernst regiert, bewies dieser nicht nur durch ironische Gesten und Blicke. Beim „Egyptischen Marsch“ von Johann Strauß Sohn ließ er die Philharmoniker von der Leine, die mit Herzenslust mitsangen. Traditionell wiederum der Neujahrsgruß nach dem Ansetzen der wohl berühmtesten Zugabe der Welt, „An der schönen blauen Donau“. Auch das Mitklatschen des Publikums beim „Radetzky-Marsch“ verlief ungezügelter als zuvor.
Viel Polit-Prominenz bei Kult-Event
Auch - vorwiegend politische - Prominenz fehlte diesmal nicht. Ganz zuvorderst Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der unter anderem zusammen mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö der Musik lauschte. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz ließ sich den Kunstgenuss zusammen mit seiner Freundin Susanne Thier nicht entgehen.
„Teil der kulturellen Identität“
„Das Neujahrskonzert ist einer der Höhepunkt im österreichischen Kulturjahr“, konstatierte auch Nationalratspräsident Sobotka. Das Konzert sei Teil der kulturellen Identität unseres Landes und somit „mehr als nur ein erfolgreicher Exportartikel“. Musik sei ein verbindendes Element in modernen Gesellschaften, „die auch Zusammengehörigkeit stiftet“.
Der ORF übertrug die Veranstaltung mit 14 Kameras in mehr als 90 Länder.
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