Im Zuge eines Datendiebstahls von bisher ungeahntem Ausmaß sind Daten hunderter deutscher Politiker und Prominenter im Internet veröffentlicht worden. Betroffen sind mit Ausnahme der AfD alle Parteien im Parlament sowie - besonders pikant - die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Die unbekannten Täter veröffentlichten über einen mittlerweile gesperrten Twitter-Account Telefonnummern, aber auch Ausweisfotos und andere persönliche Dokumente. Veröffentlicht wurden erste Informationen schon vor Weihnachten. Die „große Veröffentlichung“ habe aber erst am Donnerstagabend stattgefunden, sagte der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm.
Fast hundert Politiker und Promis gehackt
Demnach wurde eine hohe zweistellige Anzahl von Personen Opfer eines Hackerangriffs, bei ihnen wurden auch Informationen zu anderen Betroffenen abgegriffen. Zugang dürften sich die Angreifer über das Mailprogramm Outlook verschafft haben, heißt es in einem bisher unbestätigten „Bild“-Bericht. Auf diesem Wege erbeutete Zugangsdaten für andere Dienste habe man dann genutzt, um noch mehr Daten zu gewinnen. Manche der Informationen in den mehr als tausend Datensätzen seien aber auch öffentlich verfügbar, hob der BSI-Chef hervor.
Der stellvertretenden Regierungssprecherin Martina Fietz zufolge erhielt das Bundeskanzleramt am Donnerstagabend kurz vor Mitternacht Kenntnis von der Angelegenheit. Unter den veröffentlichten Daten befanden sich auch E-Mail-Adressen und eine Faxnummer von Merkel. In dem Datensatz fanden sich auch mutmaßliche Handynummern von mehreren Bundesministern sowie Daten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Journalisten und Künstler betroffen
Ebenfalls betroffen von den Hacker-Angriffen seien Journalisten der TV-Sender ARD und ZDF. Allein bei der ARD seien mindestens 33 Journalisten Opfer des Datendiebstahls geworden. Auch die Moderatoren Jan Böhmermann und Christian Ehring, Bands und Künstler wie der Deutsch-Rapper Materia und die Band K.I.Z seien von den Angriffen betroffen.
Bundeswehr-Daten offenbar nicht betroffen
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, die Bundeswehr sei von der Veröffentlichung der Daten nicht betroffen. Von den Parteien waren aber offenbar hunderte Politiker in Bund und Ländern betroffen, es wurden auch private Daten ins Netz gestellt.
Die nach bisherigem Erkenntnisstand aus dem Bundeskanzleramt abgeflossenen Daten seien „überschaubar“, sagte Fietz. Aufgrund der bisherigen Sichtung gebe es die Einschätzung, dass keine sensiblen Informationen und Daten abgeflossen seien.
Deutsche Behörden ermitteln - mit Hilfe der NSA?
Das Nationale Cyber-Abwehrzentrum übernahm die zentrale Koordination zu dem Fall. Neben dem BSI, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Bundeskriminalamt seien auch weitere Bundes- und Landesbehörden mit dem Vorfall befasst, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums.
Pikantes Detail in der Aufarbeitung der Vorfälle: Nach Informationen der „Bild“-Zeitung hat Deutschland den US-Geheimdienst NSA um Hilfe bei der Aufklärung gebeten. Der war wiederum erst vor einigen Jahren selbst ins Visier deutscher Ermittler gekommen, weil er deutsche Politiker abgehört hatte. „Ausspähen unter Freunden geht gar nicht“, hatte die Kanzlerin damals gesagt.
Empörung quer durch alle Parteien
Politiker quer durch die Parteien forderten Aufklärung über Urheber und Hintergrund des Vorgangs. „Eine mögliche politische Motivation dieses Angriffs muss geklärt werden“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Wir drängen auf eine rasche Aufklärung“. erklärte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Patrick Schnieder.
FDP-Generalsekretärin Generalsekretärin Nicola Beer erklärte, es stelle sich die Frage, „weshalb die Sicherheitsbehörden nicht auf das Datenleck aufmerksam geworden sind, obwohl personenbezogene Daten bereits tagelang im Netz kursierten“. Ein FDP-Fraktionssprecher sagte, es seien juristische Schritte eingeleitet worden.
Gefährden veröffentlichte Daten Politiker?
Nach Angaben von Linken-Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte wird aber auch noch geprüft, inwieweit die von veröffentlichten Angaben authentisch sind und ob den Abgeordneten daraus persönlicher Schaden entstehen könne. „Wer private Angaben von Personen veröffentlicht, nimmt deren Gefährdung billigend in Kauf, und dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren“, sagte Korte.
Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann sprach von einem „massiven Eingriff in demokratische Grundrechte, Persönlichkeitsrechte und die Meinungsfreiheit“. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, erklärte, es werde allen Betroffenen empfohlen, Strafanzeige zu stellen."
Politik will veröffentlichte Daten entfernen lassen
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages (PKGr), Armin Schuster (CDU), forderte in deutschen Zeitungen die schnellstmögliche Entfernung der Daten aus dem Netz. “Die Bundesregierung arbeitet mit den Providern daran, dass das möglichst schnell geschieht. Denn das sind ja kapitale Daten."
Allerdings: Es ist keineswegs auszuschließen, dass die Daten längst im großen Stil in alle Welt heruntergeladen, kopiert und gesichert wurden. Auch, wenn diese von der Ursprungsquelle gelöscht werden, kann die Veröffentlichung somit nicht ungeschehen gemacht werden.
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