Nur Kurden im Visier
Billigt Erdogan Dschihadisten-Offensive in Syrien?
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat vor Kurzem in einem Gastbeitrag in der „New York Times“ versichert, dass sein Land den Kampf gegen den IS und andere dschihadistische Gruppierungen nach dem Truppenabzug der USA aus Syrien fortsetzen und zu Ende bringen werde. Doch diese Worte erscheinen durch die jüngsten Ereignisse in der nordwestlichen syrischen Provinz Idlib nicht wirklich glaubwürdig. Denn dort erobert die Terrormiliz Hai‘ at Tahrir asch-Scham (HTS) seit Jahresbeginn ein Dorf nach dem anderen. Obwohl sich in der Region von der Türkei unterstützte Milizen und Medienberichten zufolge auch zwölf sogenannte Beobachtungsposten der türkischen Armee befinden, treffen die islamistischen Rebellen auf nahezu keine Gegenwehr.
Und das, obwohl bei einem Treffen zwischen dem russichen Präsidenten Wladimir Putin und seinem türkischen Amtskollegen im Herbst des Vorjahres eine entmilitarisierte Pufferzone rund um Idlib und auch die Schwächung der HTS vereinbart wurden. Wegen der türkischen Armeepräsenz drängt sich die Frage auf, ob die dschihadistische Offensive von den Türken geduldet wird, während die Kurden ins Visier genommen werden.
Al-Kaida-Splittergruppe am Vormarsch
Die Kämpfer von HTS, einer Splittergruppe des syrischen Al-Kaida-Ablegers Nusra-Front, liegen in Idlib seit Jahren im Konflikt mit rivalisierenden Rebellengruppen, weshalb es immer wieder zu Anschlägen und Gefechten kommt. Die neuesten Kämpfe begannen, nachdem HTS der Rebellengruppe Nureddin al-Zenki vorgeworfen hatte, ihre Stellungen in der Provinz Aleppo attackiert und fünf ihrer Kämpfer getötet zu haben. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte eroberte HTS seitdem 17 Ortschaften. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle bezieht ihre Informationen von Aktivisten vor Ort, für Medien sind die Angaben meist kaum zu überprüfen.
Aus zahlreichen in den vergangenen Tagen eroberten Dörfern und Städten zogen die von der Türkei unterstützten Milizen kampflos ab, nachdem die ersten Gefechte mehr als 100 Todesopfer zur Folge hatten. Die meisten Milizionäre begaben sich einem Bericht von „Spiegel Online“ zufolge in die ebenfalls von der Türkei kontrollierte nordsyrische Region Afrin. Mittlerweile sollen HTS-Kämpfer rund zwei Drittel der Region rund um Idlib kontrollieren. In diesem Einzugsgebiet leben drei Millionen Menschen.
Wie reagiert Assad auf Machtkämpfe zwischen Islamisten?
Der Vormarsch der Dschihadisten könnte Syriens Präsident Bashar al-Assad in die Hände spielen. Auch wenn die Pufferzone unter anderem zur Vermeidung einer Armeeoffensive geschaffen worden ist, könnte Assad nun das Leid der Zivilbevölkerung unter der neuen Islamisten-Herrschaft als Grund für einen bereits lange geplanten Angriff auf Idlib nützen - natürlich mit russischer Unterstützung.
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