„Viele Politiker haben gar keine Ahnung, wie es den Bürgern geht“, sagt Alexander Köchl. Der Wiener Sozialarbeiter in der Jobvermittlung kennt den Leidensalltag von Arbeitslosen über 50 oder von alleinerziehenden Müttern auf Stellensuche nur zu gut. „Keiner sagt Nein zu Arbeit, aber die Politik muss Plätze für sie schaffen.“
Immer weniger Menschen stehen in der Früh auf, um zu arbeiten, kommentierte Bundeskanzler Sebastian Kurz provokant die Arbeitslosigkeit in Wien. „Mit Gehältern von zehn- bis zwanzigtausend Euro im Monat hat die Regierung leicht reden“, schüttelt der 56-jährige Köchl den Kopf. „Es ist eine Frechheit, wenn der Kanzler sagt, nur noch die Kinder würden aufstehen, um zur Schule zu gehen, oder wenn die Sozialministerin sagt, dass Menschen von fünf Euro am Tag leben können.“ Seit 14 Jahren arbeitet Köchl in dem ausgezeichneten bfi-Unternehmen Job-TransFair, das Benachteiligte auf dem Arbeitsmarkt berät, beschäftigt und vermittelt.
Viele Schicksale
Er kennt die Welt von über 50-Jährigen, die jahrelang nach einer Stelle suchen müssen. Von Menschen, die durch Krankheiten und Schicksalsschläge aus der Bahn geworfen werden. Von Müttern, die nach der Karenz neue Berufe erlernen müssen, weil die alten Arbeitszeiten nicht machbar sind. Von Jungen, die kein Angebot für eine Fachlehre haben, weil Fachkräfte aus dem Ausland geholt werden, und von Profis, deren Stellen abgebaut werden oder die durch schlecht bezahlte Junge ersetzt werden.
Von Verzweiflung hin zur Depression
Es sind Geschichten von der Verzweiflung hin zur Depression. „Die Menschen sind nicht arbeitslos, weil sie nicht willig sind zu arbeiten“, sagt Köchl. Das treffe auf einen von hundert zu. „Alle anderen wollen Arbeit und bitten darum.“ Um ihnen zu vermitteln, dass sie wertvoll sind, steht der Sozialarbeiter jeden Morgen um 6 Uhr auf. Viele verlieren den Glauben an sich selbst. „Für sie sollte die Politik Chancen, Perspektiven und Projekte schaffen“, so Köchl.
Maida Dedagic, Kronen Zeitung
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