Jäger klagt an

„In unseren Wäldern spielen sich Tragödien ab!“

Steiermark
14.01.2019 08:00

Sie versinken in den Schneemassen, ersticken, verhungern oder sterben bei den Anstrengungen der Flucht: In weiten Teilen der Obersteiermark versuchen Jäger aktuell, bedrohtes Wild zu retten. Doch das funktioniert nicht überall: Für die Mariazeller Region erhebt Ex-Berufsjäger Martin Prumetz schwere Kritik am System.

„Steirerkrone“: Sie leben in der Mariazeller Gegend und bekommen das Elend der Wildtiere im tiefen Schnee derzeit hautnah mit?
Martin Prumetz: Ja, da spielen sich Dramen ab. Wir werden ganz massive Ausfälle haben. Die Rehe mit ihren dünnen Beinen haben keine Chance, sich auf dem Schnee zu bewegen, sinken ein, ersticken oder verhungern elendiglich. Viele versuchen noch zu einem Bach zu flüchten, weil sie sich im Wasser besser fortbewegen können und hoffen, am Ufer noch irgendwie Futter zu finden - dort verhungern auch viele. Rotwild wird auch nur bedingt gefüttert.

Aber ist so viel Schnee nicht eine Ausnahmesituation? Kann man dafür jemandem die Schuld geben?
Ja freilich! Das ganze System hat hier bei uns eine völlig falsche Richtung genommen - wir bringen das Wild um. Das sollte sich jetzt ganz in der Nähe der Fütterungsstellen befinden, wenig Energie verbrauchen und damit eine echte Überlebenschance haben. So wie es über viele Jahrzehnte gehandhabt wurde. Aber viele Futterstellen wurden aufgelassen.

Hirschkalb ohne Mutter. Prumetz: „Sie wurde wohl erschossen.“ (Bild: Martin Prumetz)
Hirschkalb ohne Mutter. Prumetz: „Sie wurde wohl erschossen.“

Ihre Kritik richtet sich an die Bundesforste?
Genau. Früher gab es allein in unserem Bereich zehn Rotwildfütterstellen, jetzt sind es höchstens noch zwei - und die sind mangelhaft. Früher hat man das Rotwild in riesigen Gattern überwintert, sie dort mit ausreichend Futter versorgt. Und die Rehe wurden flächendeckend gefüttert. Das wurde bei uns mittlerweile verboten.

Mit welchen Folgen?
Die Rehe versuchen sich aus Not ins Tal durchzukämpfen, werden dann auf den Straßen überfahren - das ist ja auch für Menschen gefährlich. Oder sie kommen zu Siedlungen, versuchen um Futter zu betteln. Das hat weder mit Menschlichkeit, Mitgefühl noch mit dem Waidmannsgedanken mehr irgendwas zu tun.

Was sind mögliche Folgen?
Dass Wild in die Wälder geht und in der Not Rinde von den Bäumen knabbert. Weil es damit Schäden verursacht, wird es sogar in der Schonzeit geschossen. Diese ganze Entwicklung ist unsäglich. Freilich möchte ich unbedingt erwähnen, dass in vielen steirischen Revieren die Fütterung wiederum gut läuft, viele beherzte Jäger sich mittels Skiern auf den Weg machen um zu füttern, Wege freischaufeln, höchste Anstrengungen auf sich nehmen.

Hier versucht eine Gams, Gras zu finden. (Bild: Martin Prumetz)
Hier versucht eine Gams, Gras zu finden.

Warum hat sich das System so grundlegend geändert?
Weil bei uns hier die riesigen Reviere aufgelassen und in kleine unterteilt wurden. Und weil es immer mehr Jäger gibt. Auch immer mehr, die das als Sonntagshobby sehen. Da gehen 40, 50 auf Treibjagden - was soll da denn noch übrig bleiben? Mein Großvater, mein Vater und ich, allesamt früher Berufsjäger, wir haben den Winter noch anders verbracht. Wir waren eingeschneit und den ganzen Tag damit beschäftigt, das Wild zu füttern! Heutzutage sitzen viele Jäger zu Hause im Warmen und rücken erst wieder aus, wenn man schießen kann. Wie kann man sich da als Waidmann noch in den Spiegel schauen?

Aber gerade die Bundesforste haben ja Notfütterungen aus der Luft veranlasst?
Futterstellen haben auch nur einen Sinn, wenn die Tiere dort regelmäßig über lange Zeiträume gefüttert werden. Alles andere verschreckt die Tiere gerade noch, versetzt sie in Panik. Die Flucht kann ihre letzten Reserven aufbrauchen, was zum Tod führt.

Das heißt, dieser Winter zeigt auf, was auch in der steirischen Jagd falsch läuft?
Ja. Mit einem hohen Blutzoll. Es sollte wieder gesetzlich werden: Wenn Rehe zum Abschuss frei sind, müssen auch ausreichend und flächendeckend Fütterungen vorhanden sein!

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