Das No-Votum des britischen Parlaments zum EU-Brexit-Abkommen und ein drohender ungeordneter EU-Austritt, wird auch in Österreich nicht unbemerkt bleiben. Besonders der Zoll wäre betroffen. Doch auch für Arbeitssuchende, Studenten, Tourismus und Politik gäbe es neue Risiken. „Ein Chaos-Brexit schadet allen und nützt niemandem“, betont Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer.
„Für Österreichs Wirtschaft geht es um den neuntwichtigsten Exportmarkt, den Top-5-Markt für rot-weiß-rote Dienstleistungen und um rund 250 Auslandstöchter heimischer Unternehmen, die in Großbritannien über 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen“, so Mahrer. Durch einen Hard-Brexit ist mit Geschäftseinbrüchen zu rechnen, da der Warenhandel mit der Insel auf eine neue rechtliche Basis gestellt werden müsste und Währungsschwankungen zu erwarten sind. Die Auswirkungen würden sich aber in einem engen Rahmen bewegen. Die Wirtschaftskammer rechnete kurz nach dem Brexit-Referendum mit einer Reduzierung der Wirtschaftsleistung um 0,05 bis 0,18 Prozent.
Mehraufwand bei Zoll
Von einem harten Brexit besonders betroffen wäre der Zoll. Dort sei laut Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) ein Mehraufwand zu erwarten. Gleichzeitig werde erwartet, dass sich Warenlieferungen, die bisher etwa aus den USA und China über Großbritannien in die EU importiert wurden, künftig in Länder wie Deutschland oder die Niederlande verlagern werden. Deutschland rechnet bereits jetzt mit zehn Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen pro Jahr und allein 200 Millionen Euro Bürokratiekosten. „Jedes Unternehmen muss für sich entscheiden, wie es künftig seine Wirtschaftsbeziehungen zu dem Vereinigten Königreich gestalten möchte“, betont Löger. Sollte das Vereinigte Königreich von einem Tag auf den Anderen zum Drittstaat werden, würde dies zwar zu deutlichen Änderungen führen. Grund zur Panik bestehe aber nicht: „Denn auch die Schweiz etwa ist weder Mitglied der EU noch des EWR und trotz Zollformalitäten aktuell der viertwichtigste Handelspartner Österreichs“, so Löger.
Einreise ohne Visum
Auch nach dem Brexit sollen Briten weiter ohne Visum in die EU reisen dürfen. Dies sei laut ÖVP-Europaabgeordneten Hein Becker „enorm wichtig für den Tourismus in Österreich, das als Urlaubsdestination bei den Briten vor allem im Winter extrem große Beliebtheit genießt.“ Allerdings ist damit zu rechnen, dass weniger britische Urlauber nach Österreich kommen, weil das Pfund bereits aufgrund der Unsicherheit abgewertet wurde. Nach einem ungeordneten Brexit ist ein weiterer Sinkflug zu erwarten.
Urlaub in Großbritannien könnte sich kompliziert gestalten
Reisen nach Großbritannien könnten sich zudem komplizierter gestalten, da die gegenseitige Anerkennung von Dokumenten mit dem Wegfall von EU-Regeln neu geklärt werden müsse. Führerscheine, Reisedokumente für Haustiere, Versicherungsschutz, Verbraucherrechte, das Reisen mit viel Bargeld, der Import von Produkten tierischen Ursprungs - alles wäre erst einmal offen.
Arbeitsmarkt
Ein Hard-Brexit würde für viele EU-Bürger die Chancen auf einen Job in Großbritannien verringern - auch für Österreicher. „Da die Beschränkungen des EU-Zuzugs eines der Hauptargumente der Befürworter eines Brexit war, könnte es hier Problemen geben“, zeigte sich Wirtschaftsexperte Kurt Bayer in einer Bewertung für die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik überzeugt. Er verwies auch darauf, dass allein die heimischen Metall- und Maschinenhersteller bei ihren Tochterfirmen in Großbritannien rund 32.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Solche von ausländischen Unternehmen gegründete Firmen würden ihr Engagement reduzieren und Arbeitsplätze streichen. Insgesamt leben rund 25.000 Österreicher in Großbritannien. Sie haben vorerst kein Ende ihrer Arbeitserlaubnis zu erwarten. Schwierig wird es allerdings für alle Neuankommenden.
Für britische Lehrer, Native Speaker, Anwälte nach britischem Recht soll eine Möglichkeit geschaffen werden, dass sie auch im Fall eines No-Deal weiterhin in Österreich arbeiten dürfen, so EU-Minister Gernot Blümel (ÖVP). Auch Firmen, die nach britischem Recht gegründet worden sind, sollen weiterhin ihren Sitz in Österreich haben dürfen. Britische Studenten sollen weiterhin in Österreich studieren dürfen, so Blümel.
Rückgang bei Auslands-Studenten
Ein Hard-Brexit könnte zudem die Möglichkeiten für heimische Jugendliche einschränken. Derzeit nehmen 500 bis 600 Studenten jedes Jahr das EU-Programm Erasmus in Anspruch, um in Großbritannien zu studieren. Ob diese Möglichkeit weiterhin bestehen bleibt, hängt von den Verhandlungen zwischen Brüssel und London über die künftige Zusammenarbeit ab. Seit dem Brexit-Votum 2016 warnen britische Hochschulen, vor dem Verlust von EU-Studenten und -Forschungsgeldern. Dadurch würden Forschungs-Kooperationen in allen Bereichen betroffen. „Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass dies ein akademischer, kultureller und wissenschaftlicher Rückschlag wäre, der erst nach Jahrzehnten aufgeholt werden könnte.“
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