Sebastian Kurz zeichnet von Europa ein eher düsterers Bild. „Europa ist dabei, im globalen Wettbewerb um die besten Ideen abgehängt zu werden, von China und von den USA. Ich spüre bei uns gleichzeitig eine weitverbreitete Angst vor Innovation“, gibt der Bundeskanzler zu bedenken. Zudem stecke die EU in einer internen Krise. Es besorge ihn sehr, dass Europa nicht die Kraft aufbringe, den aktuellen Stillstand zu überwinden.
„Wann immer wir etwas Neues angehen, dann fokussieren wir uns zu stark auf die Risiken und auf ihre Beherrschung, statt die Chancen im Blick zu behalten. Das Ergebnis ist Überregulierung, die Innovationen hemmt“, kritisierte der Kanzler im Interview mit der „Welt am Sonntag“. Er sprach sich darin dafür aus, das Einstimmigkeitsprinzip, das EU-Entscheidungen bremse, zu überdenken. Außerdem müssten die EU-Mitgliedstaaten Regeln wie Dublin oder die Euro-Stabilitätskriterien einhalten. Der ÖVP-Chef nannte in diesem Punkt „auch große Euro-Staaten wie Frankreich“.
Kurz-Kritik auch an Frankreich
Den Reformideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, ein gemeinsames Eurozonen-Budget oder einen EU-Finanzminister einzuführen, erteilte Kurz eine klare Absage. Die sei der „falsche Ansatz“: „Nur weil man etwas Reform nennt, muss es deswegen noch lange nicht in die richtige Richtung gehen.“
„UNO-Migrationspakt beinhaltete bedenkliche Vermischung“
Hinsichtlich der Ablehnung des UNO-Migrationspaktes durch die Bundesregierung stellte der Kanzler klar, dass „nicht nur mein Koalitionspartner die FPÖ“, sondern auch die ÖVP den „Globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration“ „sehr kritisch“ sehe. „Es gibt viele falsche Behauptungen in rechten Foren, etwa dass der Pakt zu Flucht einlade. Das ist natürlich Unsinn. Aber meine Kritik bleibt: Der Pakt beinhaltet eine bedenkliche Vermischung von Asyl und Migration.“
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Verzögerter Frontex-Ausbau: Kurz kritisiert Rom, Athen und Madrid
Kurz gab im Interview zudem Griechenland, Italien und Spanien die Schuld daran, dass die Aufstockung der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf 10.000 Mitarbeiter erst 2027 vollzogen sein soll. „Natürlich wäre ein früherer Aufbau der Frontex-Truppe besser“, betonte der Kanzler und nannte die drei Staaten dabei namentlich. „Ausgerechnet jene Mitgliedstaaten, die eine EU-Außengrenze haben“ und damit - gemäß der Dublin-Regeln, wonach jenes Land für einen Asylantrag zuständig ist, wo ein Drittstaatenangehöriger zuerst EU-Boden betreten hat, verhältnismäßig häufig zuständig sind - hätten große Vorbehalte beim Frontex-Ausbau angemeldet, „sie fürchten offenbar einen Eingriff in ihre Souveränität“, analysierte der ÖVP-Politiker, der das „nicht nachvollziehen kann“.
Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission wollten die Aufstockung von Frontex auf 10.000 Grenzschützer auf 2020 vorzuziehen. Ursprünglich hatte auch die EU-Kommission 2027 geplant. Bei einem Kompromissvorschlag der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im Dezember blieb es mangels Einigung dann bei 2027. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte beklagt, dass vor allem die von Dublin am meisten betroffenen Länder sich geweigert hätten, die Außengrenzen auch zu stärken.
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