Konstruierte mathematische Modelle?
Der Chefarzt der Lungenklinik Stuttgart, Martin Hetzel, schlägt sich ebenfalls auf die Seite Köhlers: „Es gibt keine Feinstaub- oder NO2-Erkrankung der Lunge oder des Herzens, die man im Krankenhaus antrifft. Es gibt auch keinen einzigen Toten, der kausal auf Feinstaub oder NO2 zurückzuführen wäre. Das ist unseriöser, ideologiegeleiteter Populismus.“ Die Schlussfolgerungen ergäben sich nicht durch die Datenlange. Für Hetzel handelt es sich bei den bisherigen Berechnungen um konstruierte mathematische Modelle.
Schadstoff-Lüge?
Feinstaub: 100 Ärzte zweifeln an Gesundheitsgefahr
Sie sehen keine große Gesundheitsgefahr durch Feinstaub und Stickoxide in deutschen Städten und halten die von der EU vorgegebenen Grenzwerte für „unsinnig“. Mehr als 100 deutsche Lungenfachärzte sorgen mit einem am Mittwoch präsentierten Positionspapier für Aufsehen. Die Mediziner fordern darin eine Neubewertung wissenschaftlicher Studien, denn es gebe „derzeit keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide“.
Das Papier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Deutschen Lungenstiftung und des Verbandes Pneumologischer Kliniken (VPK) bringt den bisherigen Konsens zwischen Politikern und Wissenschaftlern über die tödlichen Auswirkungen von Stickoxiden und Feinstaub auf die Menschen ins Wanken.
In all den Studien, die von Tausenden zusätzlichen Toten mehr pro Jahr durch hohe Feinstaubbelastung sprechen, sei „methodisch fragwürdig“ vorgegangen worden. DGP-Präsident Dieter Köhler meint, dass beim Vergleich von Großstadtbewohnern mit Menschen am Land andere Faktoren wie unterschiedlicher Alkoholkonsum, Sport oder Rauchen außer Acht gelassen worden seien. „Man macht aus einer zufälligen Korrelation eine Kausalität, für die es keine Begründung gibt. Im Gegenteil: Man kann das sogar sehr gut widerlegen“, erklärt Köhler gegenüber „Focus Online“.
„Raucher müssten binnen weniger Wochen tot umfallen“
Daher seien die derzeit geltenden Grenzwerte „unsinnig“, so Köhler. Der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid liegt derzeit bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Auf diesem Wert basieren bereits in Deutschland erlassene Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge, deren Schadstoffausstoß den Grenzwert verletzten würde. Der EU-Grenzwert ist seit seinem Inkrafttreten wissenschaftlich umstritten. In den USA liegt diese Grenze zum Beispiel bei 100 Mikrogramm. „Wenn man die Belastung, der ein Zigarettenraucher ausgesetzt ist, mit der angeblichen Belastung durch Feinstaub vergleicht, müsste eigentlich jeder Raucher binnen weniger Wochen tot umfallen“, erklärt Köhler gegenüber welt.de.
Umweltbundesamt: Schutz besonders empfindlicher Menschen
Allerdings werfen Verfechter der notwendigen Grenzwerte ein, dass es sich bei den Feinstaubpartikeln um „Brandbeschleuniger“ handle, die sich vor allem bei bereits erkrankten Menschen bemerkbar machten. So meinte Wolfgang Straff vom Umweltbundesamt bereits Ende 2018 in einem Interview im ZDF-„Heute Journal“, dass die Grenzwerte als „Prävention für die gesamte Bevölkerung“ dienten. Es gehe um den Schutz besonders empfindlicher Menschen, die an Asthma, COPD, koronarer Herzerkrankung oder Diabetes leiden.
Straff führte auch Schwangere und Kleinkinder im Kinderwagen, die sich genau auf Auspuffhöhe befinden, als gefährdete Personengruppen an. Die Schadstoff-Debatte wird durch das Positionspapier der 100 Lungenfachärzte mit Sicherheit befeuert. Ob sich am bereits angesprochenen Grundkonsens etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
ADAC schließt sich Forderung der Ärzte an
Allerdings hat sich bereits der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) der Forderung nach einer erneuten wissenschaftlichen Überprüfung der Grenzwerte angeschlossen. „Wenn Bürger von Fahrverboten betroffen sind, müssen sie sich darauf verlassen können, dass die geltenden Grenzwerte wissenschaftlich begründet sind“, sagte der Vizepräsident des Automobilclubs, Ulrich Klaus Becker, am Mittwoch in München.
Verkehrsminister für „Sachlichkeit in Diesel-Debatte“
Deutschlands Verkehrsminister Andreas Scheuer hält die Zweifel der Lungenärzte ebenfalls für gerechtfertigt. „Der wissenschaftliche Ansatz hat das Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu überwinden“, sagte der CSU-Politiker. Die Initiative der Mediziner sei ein wichtiger und überfälliger Schritt. Er helfe mit, „Sachlichkeit und Fakten in die Diesel-Debatte zu bringen“.
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