Alarm 50 Min. nach Tat

Das steckt hinter der Esterhazy-„Entführung“

Burgenland
23.01.2019 12:16

Die Beamten der Polizeiinspektion Kitzbühel staunten nicht schlecht, als sich am Dienstagabend um 22 Uhr eine Frau meldete. Ihr Name sei Elisabeth Andras Ottrubay - und sie sei die Tochter der vor wenigen Stunden in Eisenstadt entführten Esterhazy-Erbin Magdolna. Der „Fürstenmutter“ gehe es gut, sie sei auf eigenen Wunsch von ihren Kindern im Burgenland abgeholt worden. Die Umstände des Falles bleiben aber weiterhin mysteriös: So ging der Alarm bei der Polizei erst rund 50 Minuten nach dem Vorfall ein ...

Nachdem die 87-jährige Magdolna Ottrubay, Mutter vom Chef des Esterhazy-Clans, am Dienstag mitten in Eisenstadt allem Anschein nach „entführt“ worden war, meldete sie sich am Abend wohlbehalten bei der Polizei in Kitzbühel (Tirol). Hintergrund der angeblichen Entführung sei der Wunsch der 87 Jahre alten Mutter, ihren Lebensabend in der Schweiz verbringen zu dürfen bzw. eine delikate „interne Familienfehde“.

(Bild: Reinhard Judt, ViennaPress/Andreas TISCHLER, krone.at-Grafik)

Viele offene Fragen
Nachdem das vermeintliche Drama aus Sicht der Familie geklärt scheint, wirft der Fall den Ermittlern dennoch einige Fragen auf. Wenn es sich tatsächlich um eine freiwillige Abholaktion und keine Entführung handelte, warum wurde die alte Dame auf offener Straße von zwei dunklen SUV-Wagen mit quietschenden Reifen abgepasst?

Die Esterhazystraße in Eisenstadt (Bild: APA/ROBERT J€GER)
Die Esterhazystraße in Eisenstadt

Polizei erst nach 50 Minuten alarmiert
Wie berichtet, sprangen zwei Männer und zwei Frauen aus den Fahrzeugen und rempelten eine Altenpflegerin zur Seite. Daraufhin „luden“ sie Magdolna samt Rollator in eine der Karossen und brausten davon. Laut Polizei war sie „freiwillig“ ins Auto gestiegen. Angezeigt hatte die „Entführung“ dann der Verwalter des Millionenimperiums der Esterhazy-Stiftung, Stefan Ottrubay - allerdings vergingen rund 50 Minuten zwischen der Tat und der polizeilichen Alarmierung. Der Stiftungs-Chef war offenbar nicht in Kenntnis der angeblichen Wünsche seiner eigenen Mutter. Fraglich ist zudem, wer die anschließende Großfahndung, an der 100 Polizisten beteiligt waren, bezahlen wird.

Die aktuelle Causa ist auch nicht der erste Zwist im Hause Esterhazy. Vor rund zehn Jahren tobte ein Streit um die 2014 verstorbene Melinda. Verwandte aus Bayern behaupteten, ihre Tante seit Jahren nicht besuchen zu dürfen. Diese würde gegen ihren eigenen Willen eingesperrt. Und erst vor wenigen Wochen friedlich beigelegt wurde ein millionenschwerer Streit mit dem Land Burgenland um das Schloss Esterhazy und die Oper im Steinbruch St. Margarethen.

Stiftungschef Stefan Ottrubay mit seiner Mutter Magdalena (Bild: Reinhard Judt)
Stiftungschef Stefan Ottrubay mit seiner Mutter Magdalena

Daten und Fakten rund um die Esterhazys
 Obwohl sich Bund und Kirche den Großteil der Fläche Österreichs untereinander aufteilen, stehen ebenso nicht unwesentliche Ländereien und Immobilien im Besitz von Adelsgeschlechtern. Größter privater Grundbesitzer ist die Familie Esterhazy, danach folgen Blaublüter wie Mayr-Melnhof-Saurau, die Familien Liechtenstein, Schwarzenberg oder Habsburg. 

Vom einst sagenhaften Reichtum des magyarischen Adelsgeschlechts sind noch rund 44.000 Hektar an Wäldern, Seen, Weinbaugebieten und Naturparks im Besitz der Stiftungen. Unter den Ländereien befindet sich auch ein Großteil des Nationalparks Neusiedler See - Seewinkel und dessen unter Naturschutz stehender Schilfgürtel. Mehrere hundert Angestellte verwalten Immobilien wie die Burg Forchtenstein, das Schloss Lackenbach oder die weltberühmte Fürstenresidenz, das Barockschloss Esterhazy in Eisenstadt. Auch die Umfunktionierung des Steinbruches in St. Margarethen zu einem Areal für Konzerte wurde veranlasst. Was nur wenige wissen: Die Stiftung ist mit Tausenden Hektar Landwirtschaft der größte Bio-Betrieb Österreichs. 

Schloss Esterhazy in Eisentstadt (Bild: ViennaPress/Andreas TISCHLER)
Schloss Esterhazy in Eisentstadt
Das Wappen der Esterhazys (Bild: Reinhard Judt)
Das Wappen der Esterhazys

Stiftungen rund 810 Millionen Euro schwer
Nach dem Tod von Paul V. Esterhazy 1989, der von vielen als letztes Familienmitglied noch „Fürst“ gerufen wurde, erbte seine Witwe - die ehemalige ungarische Primaballerina Melinda, geborene Ottrubay - das gesamte Vermögen. Ihrem Geschick ist es zu verdanken, dass die bedeutenden Kulturgüter für die Nachwelt erhalten wurden.

Im Jahr 2000 wurde der gebürtige Schweizer Stefan Ottrubay (65) von seiner schließlich 2014 verstorbenen Tante Melinda mit der Leitung aller Stiftungen und Betriebe der Adelsfamilie betraut. Damit ist er als Generaldirektor Herr über ein Unternehmen, das alleine 2017 einen Umsatz von 53 Millionen Euro verbuchen konnte. Von 2002 bis 2012 wuchs das Gesamtvermögen der drei Esterhazy-Stiftungen um mehr als 150 Millionen auf 810 Millionen Euro an. Zum Vergleich: Das Jahresbudget des Bundeslands Burgenland beträgt 1,1 Milliarden Euro.

Stefan Steinkogler, Kronen Zeitung/krone.at

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