Mehr als sieben Jahrzehnte hat sich hartnäckig eine Verschwörungstheorie gehalten, die besagt, dass nicht Adolf Hitlers einstiger Stellvertreter Rudolf Heß nach dessen Verurteilung im Kriegsverbrechergefängnis Spandau in Berlin eingesessen habe, sondern ein Doppelgänger. Der echte Heß sei seiner Strafe entgangen, so die Theorie, die nun ein Team um Forscher aus Salzburg und den USA mittels einer DNA-Analyse widerlegt hat.
Beim als „Spandau Nr.7“ geführten Häftling, der im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, wurde angenommen, dass es sich um Rudolf Heß handelte. So richtig sicher war man sich allerdings nie. So hatten etwa 2001 drei britische Autoren behauptet, Heß habe sich nach seinem Flug nach Schottland am 10. Mai 1941 tatsächlich um Friedensverhandlungen mit Großbritannien bemüht. Ein Jahr später, also 1942, sei er gemeinsam mit dem Herzog von Kent bei einem Flugzeugabsturz in Wales ums Leben gekommen.
Jener Mann, der im August 1987 als Rudolf Hess im alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau Selbstmord begangen habe, sei in Wirklichkeit ein Doppelgänger der Nazi-Größe gewesen. Es habe sich dabei um einen Agenten im Auftrag des britischen Geheimdienstes gehandelt, so die These der Autoren.
Mehr als 20 Jahre einziger Häftling in Spandau
Heß, einer von Adolf Hitlers engsten Vertrauten, war im Mai 1941 nach Großbritannien geflogen, um kurz vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion einen Separatfrieden zu verhandeln. Doch London stand zu seinem Verbündeten und inhaftierte Heß. 1946 wurde er in den Nürnberger Prozessen zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 17. August 1987 nahm er sich im Alter von 93 Jahren das Leben, nachdem er mehr als 20 Jahre der einzige Häftling im Kriegsverbrechergefängnis Spandau gewesen war.
Immer wieder tauchten in den vergangenen Jahrzehnten Spekulationen auf, dass anstatt Heß ein Doppelgänger einsaß. Allen voran sei auch US-Präsident Franklin D. Roosevelt nicht ganz sicher gewesen, ob nicht ein Betrüger Heß‘ Haftstrafe verbüßt hat, heißt es im Magazin „New Scientist“, das über die neue Forschungsarbeit berichtet. Auch Heß‘ Frau spielte immer wieder auf die Doppelgänger-Theorie an.
Überreste exhumiert und verbrannt
Obwohl Heß mit dem Waffenstillstand nur den Rücken für den nächsten, noch größeren Krieg freihalten wollte, wird er bis heute von Neonazis als „Friedensflieger“ verklärt. Sein Grab wurde daher zur Pilgerstätte, was die deutschen Behörden zum Handeln zwang. Nachdem der einstige Hitler-Stellvertreter 2011 exhumiert und seine Überreste verbrannt wurden, schrumpfte allerdings die Hoffnung, die Verschwörungstheorie endgültig mittels DNA-Tests entkräften zu können.
Das Team um einen pensionierten US-Militärarzt und den auf alte DNA spezialisierten Biologen Jan Cemper-Kiesslich vom Interfakultären Fachbereich Gerichtsmedizin der Universität Salzburg konnte nun mit einer Blutprobe, die Heß 1982 in Spandau entnommen wurde, doch Licht in die Angelegenheit bringen. Ein Teil der Probe verblieb nämlich auf einem versiegelten Mikroskop-Objektträger im Besitz des US-Pathologen Rick Wahl, heißt es in dem Bericht. Nachdem Militärarzt Sherman McCallder, Erstautor der Arbeit im Fachjournal „Forensic Science International: Genetics“, von der Existenz der Probe erfuhr, kontaktierte er Cemper-Kiesslich.
DNA aus getrocknetem Blut extrahiert
Den Salzburger Forschern gelang die Extraktion der DNA aus dem getrockneten Blut. Nach einer langwierigen Suche nach Familienangehörigen von Heß wurden die Wissenschaftler fündig. Ein männlicher Nachfahre von Heß erklärte sich letztendlich bereit, eine DNA-Probe zum Vergleich abzugeben. Bei dem Familienangehörigen handle es sich zu 99,99 Prozent um einen Nachfahren jenes Mannes der in Spandau einsaß, so das Ergebnis der Analyse.
Gerüchte sind für Forscher „widerlegt“
Diese Resultate seien ein sehr starker Beleg dafür, dass der Gefangene tatsächlich Rudolf Heß war. Dementsprechend sei es „extrem unwahrscheinlich“, dass an der Verschwörungstheorie etwas dran ist, schreiben die Forscher, die die Gerüchte damit als „widerlegt“ ansehen, in dem Fachartikel.
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