Fett, schlank, schnell

Neuer Porsche 911: Wirklich der beste Elfer ever?

Motor
24.01.2019 10:57

Der Porsche 911 ist nicht das meistverkaufte Modell der Zuffenhausener, aber das wichtigste. Er ist der Kern der Marke, die Historie, ihre Ikone, der heilige Gral, ja sogar der Heiland, der bereits totgesagt war und wiederauferstanden ist. Im März kommt die achte Generation auf den Markt, wieder mit dem Haus-Prädikat „bester Porsche aller Zeiten“. Gewagte Ansage - oder doch ein berechtigtes Urteil?

(Bild: kmm)

Mit bloßen Worten kommt man bei Porsche nicht weit. Im Gegensatz zu Tesla hat Porsche keine Jünger, die jeden Fehler verzeihen, sondern Fans, Neider und Kritiker, die alles auf den Prüfstand stellen und hinterfragen. Ganz ehrlich: Wenn jemand behauptet, das Beste zu bauen, werde ich misstrauisch.

Um es vorwegzunehmen:
 Sie lehnen sich in Zuffenhausen nicht allzu weit aus dem Fenster, denn der Porsche 911 Baureihe 992 ist tatsächlich ein Meisterwerk geworden. Schneller, stärker, sicherer, digitaler, einfacher zu fahren, technisch perfekt. Dazu schlägt er im Design den Bogen zurück zu seinen Ahnen, ohne dass jemandem dazu das Wort „Retro“ einfallen würde.

Aber im Einzelnen:

Gewachsen, und doch zierlicher
 Im Vergleich zum Modell 991 ist der 992 zwei Zentimeter länger (4,52 m), einen halben Zentimeter höher und viereinhalb Zentimeter breiter, und zwar vorne wie hinten. An der Hinterachse ist er jetzt generell so breit wie früher die Allradversion. Der Radstand blieb mit 2,45 m unverändert. Die Taille wurde bewusst schmal gehalten, was den neuen zierlicher wirken lässt als den alten 911. Die ganze Optik macht einen sehr ruhigen Eindruck. Vorne liegt unten ein großer schwarzer Bereich für Lufteinlass und Sensoren, das Heck wurde quasi vom Kennzeichen befreit, stattdessen dominieren glatte Flächen und ein durchgängiges LED-Leuchtband. Sogar der aktive Heckspoiler ist als solcher kaum zu erkennen, weil einfach das ganze obere Heck hochfährt (45 Prozent mehr Aero-Fläche als früher). Das Kennzeichen sitzt jetzt ganz unten zwischen den Auspuffblenden.

Das dritte Bremslicht stellt eine englische 11 dar. Links und rechts davon befinden sich jeweils neun Lamellen. Beim Allradler haben sie Chromeinlagen, sonst sind sie schwarz. (Bild: Porsche)
Das dritte Bremslicht stellt eine englische 11 dar. Links und rechts davon befinden sich jeweils neun Lamellen. Beim Allradler haben sie Chromeinlagen, sonst sind sie schwarz.

Wie bitte? Auspuffblenden? Ja, erstmals beim 911 endet der Auspuff hinter einer Blende, mit der er nicht verbunden ist. Der Porsche ist aber eines der wenigen Autos, an denen das einen echten Sinn hat. Ganz einfach erklärt: Dadurch, dass hier Partikelfilter montiert sind, die sich kaum verformen können, würde sich ein leichter Aufprall bis zum Zylinderkopf fortsetzen und für immense Schäden sorgen. Daher die Blenden mit Abstand zum Auspuff an sich.

Der Porsche 992 hat Auspuffblenden - aus gutem Grund. (Bild: Stephan Schätzl)
Der Porsche 992 hat Auspuffblenden - aus gutem Grund.

Kein Wohlsstandsspeck
 Obwohl er zu zwei Dritteln statt nur einem Drittel aus Aluminium besteht, hat der 911 Immerhin 55 Kilogramm zugelegt, auf 1515 kg; aber das ist kein Wohlstandsspeck, sondern eine gut angelegte Investition. Und zwar zum einen in die beiden Ottopartikelfilter, die jeweils sechs Kilogramm beisteuern. Dann in größere Räder, die jetzt hinten 21 Zoll und vorne 20 Zoll groß sind (macht insgesamt plus 6,5 kg) - und dann ist da noch das neue Achtgang-PDK, also das neue Doppelkupplungsgetriebe, das alleine schon 25 Kilo mehr wiegt als das alte mit sieben Gängen. Und es ist jedes Gramm wert. 

Es schaltet wahnsinnig schnell und vor allem wahnsinnig geschmeidig. Kein Vergleich zum alten PDK. Außerdem ist noch Platz drin für einen Elektromotor, also für Hybridantrieb. Das ist aber noch ungeschriebene Zukunftsmusik, auf absehbare Zeit bleibt es beim reinen Verbrenner.

Der ist noch immer ein Dreiliter-Sechszylinder-Biturbo-Boxer, liefert im Carrera S jetzt aber 450 PS und 530 Newtonmeter ab, also jeweils 30 mehr als vorher. Die Power kommt ein bisschen später, also erst über 2000 Touren (Drehmomentmaximum bei 2300/min.), aber das ist gut zu verkraften, das PDK gleicht das nahtlos aus.

Die Fahrleistungen sprechen für sich. Mit Sport-Chrono-Paket (2900 Euro) schnalzt der Carrera S in 3,5 Sekunden von Null auf 100 km/h, der Allradler 4S in 3,4 Sekunden (ohne Sport Chrono 3,7 bzw. 3,6 s). Damit nimmt der 992 dem 991 vier Zehntel ab. Auf 200 km/h ist der Hecktriebler schneller als der 4S: 12,1 zu 12,4 Sekunden. Als Maximaltempo gibt Porsche 308 km/h für den S und 306 km/h für den 4S an. Und der Verbrauch? Nach NEFZ 8,9 bzw. 9,0 l/100 km. Auf der Rennstrecke waren es 24 Liter - und das kann durchaus als sparsam gelten.

Der Spoiler verdeckt die dritte Bremsleuchte. Daher befindet sich darunter eine weitere. (Bild: Stephan Schätzl)
Der Spoiler verdeckt die dritte Bremsleuchte. Daher befindet sich darunter eine weitere.

Auch auf der Rennstrecke zu Hause
 50 Prozent der 911er-Kunden, heißt es, gehen mit ihrem Auto auch mal auf die Rennstrecke, das wird auch mit der Baureihe 992 nicht anders sein. Deshalb waren wir zum Testen auf dem Circuito Ricardo Tormo in Valencia. Und sogar hier ist der neue Elfer nur mit Mühe an seine Grenzen zu bringen, weil: Er ist brutal einfach zu fahren. Geradezu leichtfüßig. Die Lenkung ist unfassbar präzise und gefühlvoll und setzt praktisch um, was der Fahrer denkt.

Außerdem liegt der Wagen völlig stabil auf der Straße. Nicht wie das sprichwörtliche Brett, weil er nämlich nicht hart ist. Durch die verbreiterte Spur (vorn plus 46 Millimeter, hinten plus 39 Millimeter) haben sie das Auto komfortabler abstimmen können, mit härteren Federn, aber weicheren Dämpfern (serienmäßig adaptiv). Porsche sagt, der 992 ist auf der Nordschleife 5 Sekunden schneller als der Vorgänger 991 (7:25 Minuten). Das stellen wir absolut nicht infrage. Und wahrscheinlich steigt der Fahrer auch noch entspannter aus.

Das alles funktioniert auch auf der Landstraße. Sogar auf richtig schlechtem Asphalt bleibt das Fahrwerk ruhig. Man schneidet ums Eck wie mit einem Skalpell. Da versetzt nichts, weil der Porsche so geschmeidig abgestimmt ist.

(Bild: Stephan Schätzl)

Analoges Fahren, digital unterstützt
 Auf der einen Seite ist der neue Porsche 911 also voll auf der Linie seiner Urahnen, also ein richtig schneller Sportwagen. Echtes Fahren, echter Motorsound, am besten aus der optionalen Sportauspuffanlage mit Resonanzrohren, aber ohne künstlich erzeugten Sound, wie es heutzutage schon so oft praktiziert wird.

Auf der anderen Seite ist der 911er ein hochmoderner Sportwagen und in Sachen Assistenzsysteme mehr als up to date. Nein, er hat keine teilautonomen Assistenten und einparken muss man auch selber. Aber er bietet (um 3600 Euro) LED-Matrix-Scheinwerfer mit 84 Pixeln. Mit ihnen hat der Nachtsichtassistent (2900 Euro) auch endlich einen Sinn: Werden Fußgänger, Radfahrer oder Wildtiere erkannt, sieht man das nicht nur am Display (wo man das sowieso nicht mitkriegt), sondern das Objekt wird auch kurz und gezielt angeleuchtet.

(Bild: Porsche)

Serienmäßig erkennt der 911er sogar, wenn die Straße nass ist. Er hört das mit Sensoren in den vorderen Radhäusern und warnt den Fahrer im Cockpit. Der kann dann den Wet Mode aktivieren - muss er aber nicht.

Auch ein Notbremsassistent ist Serie, der aktive Spurhalteassistent mit Verkehrszeichenassistent (1300 Euro) optional. Dieser erkennt über die Regensensoren, dass es regnet, und zeigt witterungsabhängige Limits an. Aufpreis kostet auch der Stop-and-Go-Radartempomat. Schade, dass man die Adaptivfunktion noch immer nicht abschalten kann, wie das zum Beispiel bei BMW üblich ist. Darüber hinaus lässt sich der Elfer weiter zum Komfort-Gran-Turismo hochrüsten, mit Heckscheibenwischer, einem Sitz, der zum Aussteigen automatisch nach hinten fährt und was man noch so alles zu schätzen weiß, wenn man in den besten Jahren ist.

Innenraum: Zurück in die Zukunft
 Der ganze 992 ist eine Hommage an die ersten beiden Baureihen, den Ur-911er und das G-Modell, angefangen bei den Falzen auf der Fronthaube. Auch im Innenraum kehren die Designer zu alten Prinzipien zurück: das Cockpit ist jetzt wieder horizontal ausgerichtet, die Mittelkonsole abgesetzt. Die beiden horizontalen Flügel bieten, zwischen denen sich die Instrumente bzw. Displays befinden, haben einen ganz banalen Vorteil: Um den 10,9-Zoll-Touchscreen in der Mitte zu bedienen, kann man die Hand auf dem unteren aufstützen.

In der Mitte des Cockpits thront ein analoger Drehzahlmesser, wie in den „guten, alten Zeiten“, der von zwei Sieben-Zoll-Displays flankiert wird. Sie stellen je zwei weitere Rundinstrumente dar, es bleibt also bei den klassischen fünf. Die zwei äußersten werden aber leider vom Lenkrad verdeckt. Der rechte Siebenzöller kann auf Knopfdruck auch ganzflächig die Navi-Karte anzeigen (wovon man wiederum auch nur die Hälfte sieht, ohne sich zu verrenken).

Der dicke Automatikhebel musste einem kleinen Hebelchen weichen, das ausschaut, als könnte man es auch als Reiserasierapparat verwenden. Kann man aber nicht. Und schalten auch nicht, das geht nur automatisch oder mit den Paddles am Lenkrad.

Unterm Strich
 Klar, das ist der teuerste 11er aller Zeiten, bei 146.000 Euro für den Carrera S bzw. 155.000 Euro für den Allradler 4S fängt der Spaß (und die Rallye durch die Aufpreisliste) an. Aber: Ist der neue 11er der beste aller Zeiten? Man muss sagen: Ja. Weil er alles besser kann als sein Vorgänger. Er ist noch fahrbarer, noch fahraktiver und spannt trotzdem einen noch weiteren Bogen zwischen ernsthaftem Sport und entspannendem Freizeitmobil. Wer sich jede Kurve hart erarbeiten will, ist hier aber falsch. Mit Markenbotschafter und Rallye-Legende Walter Röhrl bin ich mir unter anderem in diesem Punkt einig: Man hat noch nie so wenig Eier gebraucht, um mit einem Porsche 911 richtig schnell zu sein.

Warum?
 Liegt extrem gut, ohne hart zu sein
 Herrliche Lenkung

Warum nicht?
 Im Vergleich zum Ur-Elfer kein rauer Haudegen mehr.

Oder vielleicht …
 … Mercedes-AMG GT, Porsche 718 Cayman, oder doch ein Ferrari?

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(Bild: kmm)



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