Im April 2018 starb der einjährige David nach einer Routine-OP. Offensichtlich passierten Fehler - gegen fünf Ärzte wird ermittelt: Der kleine Bub wurde trotz Hinweis der Eltern mit vollem Magen unter Narkose gesetzt. Im August 2018 machte die „Krone“ den tragischen Fall österreichweit publik. Nun sprachen die Eltern Edda P. und Thomas G. über ihre Gefühle, ihre Motivation und über ihre Mission für andere Eltern. Mit einer Botschaft: „Bleibt kritisch.“
Die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, ein Kampf gegen Tränen: „Du willst es einfach nicht wahrhaben.“ Unvorstellbar, was Davids Eltern durchmachen mussten: das junge Salzburger Paar, das eine Familie gründen wollte und ihr erstes und einziges Kind (1) verlor. Nach einem Bagatell-Eingriff im Salzburger Landeskrankenhaus. Weil die Ärzte offensichtlich Fehler machten und die Regeln nicht einhielten, sagen zwei Sachverständige: keine Aufklärung, keine akute OP-Indikation, nicht einmal das EKG war demnach angeschlossen.
Österreichweit rüttelte der Fall auf. Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Mediziner. Vorwurf: grob fahrlässige Tötung. Nun wurden die Ermittlungen auf weitere Ärzte ausgedehnt, bestätigt Sprecher Marcus Neher. Laut dem Anwalt der Eltern, Stefan Rieder, seien auch bei der Reanimation Fehler passiert. Gemeinsam mit den Eltern reichte er Klage ein.
Der Zivilprozess pausiert wegen des Strafverfahrens, derzeit arbeiten zwei Sachverständige an Gutachten. Von einem „Narkose-Zwischenfall“ sprechen die Salzburger Landeskliniken, drücken „tiefstes Bedauern“ aus. Verbesserungen, wie Kommunikationskurse für Ärzte und ein OP-Warteraum, sind angekündigt. Zu den Vorwürfen heißt es: „Die medizinischen Abläufe und Entscheidungen müssen vonseiten der Gerichte geklärt werden.“ Sonderklasse-Patient war David nicht, sagt die Klinik - im Gegensatz zu den Eltern.
„Tragen den Schmerz bis zum Ende unseres Lebens mit“
„Krone“: Neun Monate sind nach Davids Tod vergangen. Damals habt ihr von einer Leere gesprochen. Was fühlt ihr heute?
Eltern: Er geht uns irrsinnig ab. Jeden Tag denken wir an ihn. Und wir tragen den Schmerz bis zum Ende unseres Lebens mit. Das ist das, was wehtut. Selbst wenn es vor Gericht einen Abschluss findet. Für uns ist die Aufarbeitung wichtig. Für David und seine Gerechtigkeit, die es nicht gibt. Und dass andere Eltern gewarnt werden und dem Gesundheitssystem kritischer gegenüberstehen. Wir sind gutgläubig und blauäugig in die Klinik gegangen, wollten die beste Behandlung. 20 Minuten später war unser Kind tot.
Also bei der Fahrt ins Spital habt ihr nicht an einen derartigen Eingriff gedacht?
Nein, eher dachten wir, sie würden uns heimschicken. Wir wussten ja nicht, was das auf der Wange ist. An dem Tag waren wir um 8.20 Uhr im Krankenhaus und um 8.45 Uhr warteten wir schon vor dem OP-Saal. Was in den 25 Minuten passiert ist, war wie ein Überfall auf uns. Da war nicht „wir entscheiden“, sondern der Kinderchirurg hat entschieden, dass es gleich gemacht wird. Wir stellen uns immer die Frage: Warum musste operiert werden? Ob wir das je erfahren, wahrscheinlich nicht. Niemand wird zugeben, dass es andere Anreize für Ärzte gibt, wo nicht nur das Patientenwohl im Vordergrund steht.
Damit sprecht ihr die Zusatzversicherung an. Grund für das überhastete Vorgehen?
Das ist uns am Tag danach auch durch den Kopf gegangen. Man hört, dass solche Patienten zu OPs gedrängt werden. Aber, dass man bei einem Kind so vorgeht, hätten wir vorher nie gedacht.
Wiegt für euch das Verhalten der Ärzte oder jene der Klinikleitung schwerer?
Es war eine geballte Ladung an Unmenschlichkeit. Eine Kälte vom Klinikpersonal. Vorher war der ganze Zorn auf die Operateure. Jetzt ist der Hass multipliziert worden, durch die Lügen der SALK-Führung. Es ging nie darum, dass David verbluten würde, wenn man die OP nicht macht. Das waren nur Schutzbehauptungen.
Es hat de facto keine OP-Aufklärung gegeben. Wäre es sonst anders gelaufen?
Auf alle Fälle. Laut den Ärzten hat es ja kein Risiko gegeben. Die verglichen es mit einer Busfahrt. Von Erbrechen war gar nicht die Rede. Das haben sie negiert und für sie war es Routine.
Was waren eure Gedanken damals bei der OP?
Als wir vor dem Saal warteten, da bekamen wir immer mehr Angst. Über drei Stunden sind wir vor dem Raum gekauert. Und als der Anästhesist rauskam und sagte: „Das Gute ist, euer Sohn ist nicht tot“, da waren wir fertig. Wovon redet der, dachten wir. Er spielte sich noch als Retter auf, jetzt wissen wir: Er ist das komplette Gegenteil.
Wusstet ihr immer über Davids Zustand Bescheid?
Die erste Woche haben wir keine klaren Antworten bekommen. Oft hörten wir nur den Satz: „Es wäre alles Kaffeesudleserei.“ Erst nach seinem Tod haben wir erfahren, dass David bereits hirntot auf die Intensiv kam. Wir finden, es braucht klarere Informationen und mehr Verständnis.
Was wollt ihr erreichen?
Wir wissen, dass es nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Für uns ist aber wichtig, dass Konsequenzen folgen. Es muss in dieser geschützten Werkstätte aufgeräumt werden. Und es soll eine Hilfe für andere sein: Bitte seid kritisch, hinterfragt, bildet euch eine zweite Meinung.
Chronologie des fatalen Eingriffs
Antonio Lovric, Kronen Zeitung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.