Mit einem drastischen Fall von Cybermobbing hat sich am Dienstag das Wiener Landesgericht beschäftigt. Ein Mathematik-Student wurde wegen fortgesetzter Belästigung im Weg einer Telekommunikation und beharrlicher Verfolgung rechtskräftig zu einer Bewährungsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Er hatte - teilweise über Jahre hinweg - ihm völlig fremde Männer nachhaltig in ihrer Lebensführung beeinträchtigt.
Der Angeklagte, der selbst auf einschlägigen Plattformen registriert war, hatte die Profile der Betroffenen auf erotischen Websites entdeckt, die sich an die SM-Szene richteten. Er kopierte diese und manipulierte sie insofern, als er die Fotos der Männer veränderte und vor allem deren Angaben über sexuelle Vorlieben ergänzte und weit überzogener darstellte, als die grundsätzlich an sadomasochistischen Kontakten mit Frauen Interessierten in ihren Original-Profilen angegeben hatten. Diese verfälschten Profile stellte der 36-Jährige dann online, wobei sie nicht nur auf einschlägigen Seiten landete. Eines der Opfer fand Fake-Profile mit seinem Foto und behaupteten sexuellen Präferenzen mehrfach auf Facebook.
„Hatte eine Phase, wo ich perspektivlos war“
Zunächst behauptete der angejahrte Student - er gab dazu an, sich erst nach mehrjähriger Berufstätigkeit zu einem Hochschulbesuch entschlossen zu haben -, er habe die fremden Profile lediglich kopiert. Auf die Frage von Richterin Nicole Baczak, weshalb er sich die Mühe gemacht hätte, diese zu verbreiten und die fremden Männer obendrein explizit, zum Teil per Mail darauf hinzuweisen, antwortete der 36-Jährige: „Ich hatte eine Phase, wo ich ziemlich perspektivlos war und Probleme mit mir selber hatte. Das war eine Art Ventil, wo ich das rausgelassen habe.“ Auch „private Beziehungsprobleme“ hätten ihm zu schaffen gemacht. Er habe „Ablenkung“ gesucht, Ähnliches sei ihm selbst „in einer früheren Zeit“ widerfahren.
Die Ermittlungen kamen erst ins Rollen, weil ein Betroffener - ein 38-jähriger EDV-Spezialist, der auf einer Website nach einer „strengen Herrin“ gesucht hatte - sich partout nicht damit abfand, dass immer wieder Fake-Profile von ihm auftauchten, wo ihm sexuelle Vorlieben zugeschrieben wurden, die „wesentlich drastischer, als ich bin“ waren, wie er als Zeuge erklärte. Von „Zwangsernährung“ und „Käfighaltung“ sei da die Rede gewesen. Die Polizei, die er eingeschaltet hätte, habe das zunächst als „zivilrechtliches Problem“ abgetan. Erst nach einem Brief an den Bundeskanzler habe sich eine Polizeidienststelle der Sache angenommen.
Polizei forschte weitere Opfer aus
Über seine Bankdaten, die der Mathematik-Student beim Registrieren auf einer Plattform angegeben hatte, konnte der Täter ausgeforscht werden. In weiterer Folge wurden zwei weitere Opfer - ein 24 Jahre alter Student und ein 36 Jahre alter Arbeiter - ausgeforscht, denen der Angeklagte ebenfalls übel mitgespielt hatte. Speziell der Ältere wusste sich nicht mehr zu helfen, wie er im Zeugenstand eingehend berichtete: „Das ist von 2015 weg drei Jahre so gegangen.“ Die Alarmglocken hätten bei ihm geschrillt, als Fake-Profile auch noch auf Facebook platziert wurden, „wo Berufskollegen und Freunde von mir sind“. Der Angeklagte habe ihn auf Facebook angeschrieben und noch ausdrücklich auf diese Profile aufmerksam gemacht, verbunden mit Ansagen wie „Du wirst richtig fertiggemacht“ oder „Wir geben keine Ruhe“, schilderte der Arbeiter, wobei er dem Gericht die entsprechenden Screenshots vorlegte.
„Das widerspricht nicht den Facebook-Richtlinien“
Er habe sich natürlich bemüht, dass Facebook die Fake-Profile löscht, berichtete der 36-Jährige: „Das ist ja manchmal fast im Minutentakt gegangen. 100 Mal habe ich es sicher gemeldet, aber es hat geheißen, das widerspricht nicht den Facebook-Richtlinien.“ Erst Ende Mai 2018, als der Täter bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wurde, trat Ruhe ein. „Ich wüsste nicht, was ich jemandem angetan hätte, das so was rechtfertigt“, fragte sich der Zeuge abschließend.
Für den dritten Betroffenen - es ist zu vermuten, dass weitere Männer verunglimpft wurden, die bisher nicht ausgeforscht werden konnten - war dagegen klar, was der Angeklagte bezweckt haben dürfte. „Das ist ein typischer Internet-Troll, der Personen psychisch schädigen wollte“, gab der 24-jährige Student zu Protokoll. Ihn hatte der Angeklagte als verzweifelten jungen Mann dargestellt, der vergeblich nach einer Frau sucht.
Bei der Strafbemessung fiel bei einem Strafrahmen von bis zu einem Jahr die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten mildernd ins Gewicht. Die Richterin ordnete außerdem Bewährungshilfe an und riet dem 36-Jährigen zu einem baldigen Abschluss seines Studiums: „Damit Sie einen Job finden. Dann haben Sie keine Zeit mehr für so was.“
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