„Sehr nachlässig“

Keiner will Schuld an Davids Tod auf sich nehmen

Salzburg
30.01.2019 06:00

17 Monate. So kurz lebte David. Der Bub starb nach einem Mini-Eingriff am Salzburger Landeskrankenhaus. Verantwortlich sieht sich keiner.

Seit 276 Tagen ist David tot. Weil er unter Narkose Erbrochenes einatmete. Offensichtlich unbemerkt von Mediziner-Augen. „Wie ich den OP betreten habe, hatte ich den Eindruck, dass David bereits tot ist. Am meisten irritierte mich die gefühlte Schockstarre der Beteiligten“: Eine bemerkenswerte Zeugenaussage einer herbeigerufenen Oberärztin. Was passierte an jenem Abend des 16. April im OP-Saal 3 des Salzburger Landeskrankenhauses? Das Ergebnis war jedenfalls fatal: Hirntod in Folge der OP. Das stellten die Gerichtsmediziner fest, seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft, mittlerweile gegen fünf Mediziner.

(Bild: Familie P.)

Der Vorwurf lautet auf grob fahrlässige Tötung
Schuldeingeständnis, Entschuldigung? Fehlanzeige! Die Verantwortung für das Geschehene will niemand übernehmen, vielmehr wird der Finger auf die Justiz gerichtet. Vorwürfe bestreitet die Anwaltskanzlei der Klinik, Harrer & Harrer, nachdem die Eltern Klage einreichten. „Wir wollen für die Eltern und auch für uns Klarheit schaffen“, drückt Jürgen Kohler, Direktor der Salzburger Landeskliniken, sein „tiefstes Mitgefühl“ aus. Und verweist auf Gerichte und Gutachter, die die „medizinischen Abläufe und Entscheidungen“ klären sollen. Dabei haben zwei von Davids Eltern beauftragte Sachverständige viel Licht ins Dunkel gebracht: Kinderchirurg Kurosh Paya und Anästhesist Matthias Thöns.

SALK-Direktor Jürgen Koehler (Bild: Markus Tschepp)
SALK-Direktor Jürgen Koehler

Laut Gutachten wurden Regeln nicht eingehalten
„Sehr nachlässig“, ja rücksichts- und verantwortungslos sei das Vorgehen bei der OP gewesen, heißt es von Paya. Auf WHO-Standards wurde gepfiffen. Und: „Es entziehe sich der medizinischen Logik, warum so rasch operiert wurde, obwohl David nicht nüchtern war.“

Thöns erkannte weiteres Fehlverhalten: „David hatte keine EKG-Überwachung.“ Erst bei der Reanimation wurde sie angelegt. Laut Thöns sei es „grob sorgfaltswidrig“, dass der Anästhesist deshalb den „Herzstillstand nicht erkannte“. Der deutsche Mediziner schreibt auch von Überdosierung bei der Narkose, einer rechtsunwirksamen Aufklärung und kritisiert die Wiederbelebung: zu viele Intubationsversuche, keine Koniotomie (quasi Luftröhrenschnitt), obwohl die Fachärztin da war. Thöns’ erschreckendes Resümee: „David hätte gesund überlebt.“

Opfer-Anwalt Stefan Rieder (Bild: Markus Tschepp)
Opfer-Anwalt Stefan Rieder

Keine Suspendierung: Ärzte behandeln weiter
Es stellt sich die Frage: Warum wurde derart überhastet operiert? 25 Minuten lagen zwischen Aufnahme und OP-Beginn. War es ein Zuviel an Routine? Die Eltern äußern einen weiteren Verdacht: Davids Zusatzversicherung. Bekanntlich gibt es Boni bei Sonderklasse-Patienten. Aufgenommen und operiert wurde das Kind in der Sonderklasse. Tage später ließen dies die Eltern rückwirkend ändern. „Es hat daher keine Abrechnung von Sonderklasseleistungen gegeben“, so die Klinik, die versichert: „Ob eine Indikation für einen Eingriff besteht, hängt ausschließlich von medizinischen Kriterien ab.“

Übrigens: Alle Ärzte, auch jene zwei, die behandelt haben, sind weiter im Dienst. Eine vorläufige Suspendierung deponierte Landesrätin Andrea Klambauer - die die Familie unterstützt - im Klinik-Aufsichtsrat. Erfolglos. 

(Bild: Markus Tschepp)

Chronologie eines fatalen Eingriffs
16. April 2018: Nachdem ein Hämangiom (Blutschwamm) auf Davids rechter Wange aufplatzte, fuhren die Eltern in die Klinik. Davor hat David gegessen - ein Tabu bei OPs. Dies teilten die Eltern den Ärzten auch mit. Der Kinderchirurg wollte mit einem Anästhesisten die Verödung der Wunde trotzdem sofort durchführen. 

Die OP: Zuerst wurde David Beruhigungsmittel verabreicht. Der Eingriff (Kautern) verlief problemlos. Danach veränderte sich Davids Zustand drastisch. Binnen Sekunden fiel die Sauerstoffsättigung von 100 auf 34 Prozent. David wurde eine halbe Stunde lang reanimiert. 40 Minuten hatte sein Gehirn nicht genügend Sauerstoff. Nach der Wiederbelebung wurde der Bub in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt. 

27. April: Ärzte stellten die Diagnose Hirntod. Maschinen wurden abgestellt, David starb.

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