Fall David

Narkose bei vollem Magen: Ärzte in Erklärungsnot

Salzburg
31.01.2019 06:00

Davids Tod schockt Österreich. Der Bub (1) aus Salzburg starb nach einer Mini-OP. Viele Details zeigen das offensichtliche Versagen der Mediziner.

Sie wissen, was sich an jenem April-Abend im OP-Saal 3 abgespielt hat, die „Götter in Weiß“ des Salzburger Landeskrankenhauses. Binnen weniger Minuten entschieden zwei Ärzte, dass der 17 Monate alte Bub operiert gehört. Die Eltern klärten sie nur mündlich auf, verharmlosten Risiken - der Aufklärungsbogen wurde erst Tage später unterschrieben. Und trotz vollem Magen spritzten sie das Kind in die Narkose. Und sahen zu, wie der Bub 40 Minuten um sein Leben kämpfte - die „Krone“ berichtet seit August 2018 über diesen tragischen Fall.

(Bild: Familie P.)

Das Risiko müssen die Ärzte wohl bewusst in Kauf genommen haben. So gab der behandelnde Anästhesist gegenüber Ermittlern an: „Der Kinderchirurg, ich und eine Pflegerin wussten von der Nicht-Nüchternheit.“ Aber als ihn die Assistentin mit der OP-Checkliste nach dem Aspirationsrisiko fragte, kreuzte er „Nein“ an.

„Schockstarre“ als der Bub um sein Leben rang
Auch einen zeitlichen Druck verneint der Mediziner. Als sich Davids Zustand drastisch verschlimmerte, vermutete der Anästhesist laut Zeugen eine Allergie. Der Kinderchirurg meint im Verhör: „Den Zeitpunkt der OP legte der Anästhesist fest“. Laut internationalem Standard entscheidet aber eigentlich der Chirurg. Und: Einer herbeigeeilten Oberärztin kam nicht vor, „als ob aktiv gearbeitet wurde“, gab sie zu Protokoll. Sie schildert auch eine „Schockstarre“ der Kollegen.

(Bild: Markus Tschepp)

Von Krisensitzung bis „Schutzbehauptungen“
Vier Tage nach dem Eingriff passierte etwas bezeichnendes: eine geheime Krisensitzung mit neun Führungskräften und den zwei behandelnden Ärzte. Eine Stunde und 45 Minuten beratschlagten sie den Vorfall. Es wurde um „Ergänzungen im Gedächtnisprotokoll“ gebeten. Und die Gruppe fasste einen Konsens – seither ist immer von einer „starken Blutung“ bzw. „schlechten Blutwerten“ die Rede. Auch der Klinikchef gab dies als OP-Grund an: Für Mutter Edda P. und Vater Thomas G. eine „Schutzbehauptung“. Denn ihrem Kind sei nicht Blut abgenommen worden. So sah auch ein Sanitäter Davids aufgeplatzte Wunde, die „nicht blutete“, sprach in seiner Aussage von einem „Krankentransport“ - nicht von einem Rettungseinsatz.

(Bild: Familie P.)

Trotz all diesen Vorwürfen ducken sich die Entscheidungsträger weg und verweisen immer wieder auf das laufende Strafverfahren: ob Klinik oder Politik. „Jeder Erklärungsversuch war für uns wie ein Stich ins Herz“, so die Eltern. Sie suchten das Gespräch mit Landeschef Wilfried Haslauer und dem zuständigen Vize Christian Stöckl. Auch die versprachen, wie die Landeskliniken, „vollste Aufklärung“. Die Eltern schickten auch einen Brief an Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein. Die Antwort verfasste einer ihrer Mitarbeiter: „Die Ermittlungen werden abgewartet“.

Chronologie des fatalen Eingriffs

  • 16. April 2018: Nachdem ein Hämangiom (Blutschwamm) auf Davids rechter Wange aufplatzte, fuhren die Eltern in die Klinik. Davor hat David gegessen - ein Tabu bei OPs. Dies teilten die Eltern den Ärzten auch mit. Der Kinderchirurg wollte mit einem Anästhesisten die Verödung der Wunde trotzdem sofort durchführen.
  • Die OP: Zuerst wurden David Beruhigungsmittel verabreicht. Der Eingriff (Kautern) verlief problemlos. Danach veränderte sich Davids Zustand drastisch. Binnen Sekunden fiel die Sauerstoffsättigung von 100 auf 34 Prozent. David wurde eine halbe Stunde lang reanimiert. 40 Minuten hatte sein Gehirn nicht genügend Sauerstoff. Nach der Wiederbelebung wurde der Bub in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt.
  • 27. April 2018: Die Ärzte stellten die Diagnose Hirntod. Maschinen wurden abgestellt, David starb.

Antonio Lovric, Kronen Zeitung

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