Grün-Politiker:

„Cola-Verbot rettet mehr Leben als Diesel-Verbot“

Ausland
31.01.2019 06:29

In Deutschland geht die Debatte um das Thema Feinstaub, Stickoxide und die daran geknüpften Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge weiter. In einem Gastbeitrag in der „Welt“ meldet sich jetzt der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, zu Wort. Und der geht einmal mehr auf Konfrontationskurs zu seiner eigenen Partei. Denn für ihn sind Luftschadstoffe ein untergeordnetes Problem für die menschliche Gesundheit. Bewegungsmangel, Fettleibigkeit, Zucker, Tabak und Alkohol seien dagegen die größten Feinde des modernen Menschen: „Plastisch formuliert: Ein Verbot von Cola würde vieltausendfach mehr Leben retten als Fahrverbote für Dieselfahrzeuge.“

In seinem Gastkommentar schreibt Palmer, dass Bewegungsmangel, Fettleibigkeit, Zucker, Tabak und Alkohol „eine viel gravierendere Wirkung als Stickoxide“ hätten. Und er fordert „Fakten statt Fahrverbote“. Man wisse viel zu wenig über die gesundheitlichen Auswirkungen von Feinstaub, so Palmer, der in Luftstickoxiden „ein untergeordnete Problem“ für die Gesundheit der Menschen sieht. Und Palmer geht sogar noch weiter: „Der tatsächliche Nutzen der Fahrverbote für die menschliche Gesundheit bleibt völlig unklar.“

Das Geld für Nachrüstung und Verschrottung von Dieselfahrzeugen solle lieber für Zucker- und Tabakprävention sowie die Förderung des Fuß- und Radverkehrs investiert werden. Nach dem Vorbild Luxemburgs könne auch ein kostenloser Nahverkehr viele Menschen weg vom Diesel und hin zum umweltfreundlichen Verkehr führen. „Damit erreichen wir für die menschliche Gesundheit ein Vielfaches der überhaupt nur denkbaren Effekte von Fahrverboten.“

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Bild: facebook.com)
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer

Palmer einmal mehr gegen Parteilinie
Palmer schlägt sich damit auf die Seite jener, die in den geltenden Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge kaum mehr als eine Schikane der Autofahrer sehen - und geht damit einmal mehr auf Konfrontationskurs zu seiner eigenen Partei. Bereits in der Vergangenheit hatte er eine andere Linie als die Grünen gefordert, und das auch durchaus öffentlich. So sprach er sich im Oktober 2018 für härtere Asylgesetze aus, und forderte einen weniger radikalen Umgang mit Anhängern der rechtspopulistischen AfD.

Luftverschmutzung weiter über Grenzwerten
Der Streit um die Stickoxid-Grenzwerte und die damit verbundenen Fahrverbote in Deutschland war entbrannt, nachdem 100 Ärzte die geltenden Richtlinien als unwissenschaftlich kritisiert hatten. Ihre Stellungnahme stieß allerdings bei vielen Fachkollegen in Deutschland und international auf Widerspruch. Die Luftverschmutzung vor allem aus Diesel-Abgasen bleibt unterdessen in vielen deutschen Städten höher als erlaubt. In mindestens 35 Städten wurde der EU-Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) im vergangenen Jahr überschritten, wie aus einer ersten Bilanz des Umweltbundesamts (UBA) hervorgeht.

(Bild: APA/dpa/Andreas Arnold, stock.adobe.com, krone.at-Grafik)

Für 28 der insgesamt 65 deutschen Städte, die den Grenzwert 2017 übertrafen, sind noch nicht alle Zahlen für 2018 da. Die höchste Belastung hat nun Stuttgart mit 71 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft vor München mit 66 Mikrogramm. Der verbindliche Grenzwert von 40 Mikrogramm gilt seit 2010. Gründe für den Rückgang der städtischen NO2-Belastungen sind laut UBA Tempolimits und Verkehrsbeschränkungen, mehr neue Autos, Software-Updates zur besseren Abgasreinigung bei älteren Diesel-Fahrzeugen, aber auch das Wetter. Was wie viel zur Minderung beigetragen hat, lässt sich dem Amt zufolge allein anhand der Messdaten nicht bestimmen.

Stickstoffdioxid stammt aus Diesel-Abgasen
NO2 in Städten stammt zu einem großen Teil aus Diesel-Abgasen. Damit werden auch erste Fahrverbote in Städten begründet. In Hamburg wurden schon im vergangenen Jahr Straßenabschnitte für ältere Diesel-Fahrzeuge gesperrt, in Stuttgart sind diese seit dem Jahreswechsel aus dem ganzen Stadtgebiet verbannt. Weitere Städte - darunter Frankfurt am Main, Berlin und Köln - sollen in diesem Jahr folgen. Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Einschränkungen vor Gericht erzwungen.

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