Streit um INF-Vertrag

In Europa droht jetzt ein neues atomares Aufrüsten

Ausland
01.02.2019 06:00

Am Samstag tritt die von US-Präsident Donald Trump - wie üblich ultimativ - angesagte Kündigung des 1987 mit der damaligen Sowjetunion geschlossenen INF-Vertrags zur Abschaffung der Mittelstreckenraketen in Kraft. Als Folge kann in Europa (wieder) ein gefährlicher Rüstungswettlauf mit atomwaffenbestückten Raketen drohen.

Der INF-Vertrag war eine der größten Errungenschaften zwischen den USA und der UdSSR gegen den Kalten Krieg und Michail Gorbatschows Gesellenstück seiner Entspannungspolitik. Die Mittelstreckenraketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5000 Kilometern waren nur für das „Schlachtfeld Europa“ zwischen Atlantik und Ural entwickelt worden. Nach dem Abschluss des Vertrags wurden 2692 Raketen auf beiden Seiten zerstört. Die Verpflichtungen gingen von der Sowjetunion auf Russland über.

1987 hatten Gorbatschow und Reagan alle Mittelstreckenraketen in Europa abgeschafft. (Bild: White House Photographic Office)
1987 hatten Gorbatschow und Reagan alle Mittelstreckenraketen in Europa abgeschafft.

Trump will China in neues Abkommen hieven
30 Jahre sind in der Rüstungsentwicklung eine lange Zeit. Tatsächlich ist der Pakt modernisierungsbedürftig geworden. China hatte 1987 in der Raketenrüstung noch keine Rolle gespielt, die USA wollen jetzt Peking in einen neuen Vertrag einbinden.

Der US-Präsident will Russland zu einem neuen Abrüstungsvertrag zwingen - inklusive Einbindung Chinas. (Bild: AP)
Der US-Präsident will Russland zu einem neuen Abrüstungsvertrag zwingen - inklusive Einbindung Chinas.

USA und NATO verdächtigen Russland des Vertragsbruchs
Seit 2017 hegten die USA inklusive NATO den Verdacht, dass Russland Marschflugkörper entwickelt hat, die Mittelstreckenraketen entsprechen. Erst stritt Russland wie üblich ab. Kürzlich wurden aber Experten zur Besichtigung eingeladen und die - allerdings nicht nachprüfbare - Behauptung mitgeliefert, wonach die Rakete nur eine Reichweite von höchstens 480 Kilometern habe. Man wollte die Experten wohl für dumm verkaufen.

Der russische Marschflugkörper 9M729 (Bild: AP)
Der russische Marschflugkörper 9M729

US-Abwehrraketensystem stößt Moskau sauer auf
Aber auch Russlands Präsident Wladimir Putin äußert Beschwerden. Es geht um das geplante Abwehrraketensystem, das die USA in Europa aufbauen wollen, um iranische Raketen auf dem Flug in die USA abzufangen. Das nicht zu widerlegende Argument des Kreml: Die US-Abwehrraketen würden auch die strategische Verteidigung Russlands lähmen, man wäre seiner Zweitschlagkapazität beraubt.

Ein strategisch wichtiger Stützpunkt des US-Raketenabwehrschirms befindet sich in der südrumänischen Stadt Stoenesti. (Bild: APA/AFP/Daniel MIHAILESCU)
Ein strategisch wichtiger Stützpunkt des US-Raketenabwehrschirms befindet sich in der südrumänischen Stadt Stoenesti.

Putin warnt vor steigender Gefahr eines Atomkriegs
Den Angeboten aus Washington nach gemeinsamen Kommandozentren oder Ähnlichem misstraut Putin abgrundtief. Bei seiner traditionellen Jahrespressekonferenz warnte er vor der Absenkung der nuklearen Schwelle. Demnach werde die Welt derzeit - vor allem wegen des US-Ausstiegs aus dem INF-Vertrag - Zeuge des Zusammenbruchs der internationalen Ordnung, was das Risiko eines Atomkriegs erhöhe.

Schließt eine mögliche „globale Katastrophe“ nicht aus: Kremlchef Putin (Bild: AFP )
Schließt eine mögliche „globale Katastrophe“ nicht aus: Kremlchef Putin

Sechsmonatige Schonfrist lässt wenig Zeit zum Handeln
So weit, so schlecht. Noch hat der INF-Vertrag eine sechsmonatige Kündigungsfrist. Washington fordert die Zerstörung der russischen Marschflugkörper und Verhandlungen über einen neuen Vertrag. Moskau setzt auf Widerstand in Europa gegen eine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen, wie sie schon ab 1983 zur Herstellung eines „strategischen Gleichgewichts“ dorthin gebracht worden waren. Dieser sogenannte NATO-Doppelbeschluss hatte besonders im damaligen Westdeutschland eine öffentliche Widerstandsbewegung ungeahnten Ausmaßes ausgelöst.

Und jetzt? Was nun, Europa?

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung/krone.at

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