Nord Stream 2
Frankreich auf Konfrontationskurs mit Deutschland
Der Streit um die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland eskaliert und wird zu einer schweren Belastungsprobe für die deutsch-französischen Beziehungen. Wie das französische Außenministerium am Donnerstag bestätigte, unterstützt Frankreich ab sofort Änderungspläne für eine EU-Richtlinie, die eine deutlich strengere Regulierung des Pipeline-Projekts zum Ziel haben.
Frankreich stellt sich damit frontal gegen seinen engsten EU-Partner Deutschland. Dort wird das geplante Vorhaben strikt abgelehnt. Durch die 1200 Kilometer lange Leitung, an deren Finanzierung auch die österreichische OMV beteiligt ist, soll russisches Gas nach Europa strömen, die Rohre in der Ostsee werden bereits verlegt. Vor allem die USA, aber auch einige osteuropäische Staaten sehen das Milliardenprojekt jedoch kritisch.
Neue Auflagen könnten Projekt unwirtschaftlich machen
Über die Änderung der EU-Gasrichtlinie könnte Nord Stream 2 gezwungen werden, weitreichende Auflagen zu erfüllen, die bisher nur für Leitungen innerhalb der EU gelten. Dazu zählt zum Beispiel die, das ein Gaslieferant nicht gleichzeitig Betreiber einer Leitung sein darf. Bei Nord Stream 2 ist dies bisher der Fall. Das Projekt wird von dem russischen Energiekonzern Gazprom gesteuert. Zusätzliche Auflagen könnten das Projekt weniger profitabel oder sogar unwirtschaftlich zu machen.
Ein Erfolg der Pläne für die EU-Gasrichtlinie galt bis zuletzt als unwahrscheinlich. Mit dem Kurswechsel Frankreichs dürften sich die Mehrheitsverhältnisse in der EU aller Voraussicht nach entscheidend verändern und zu einer Annahme der Richtlinienvorschläge führen.
Für die hinter dem Pipeline-Projekt stehende deutsche Regierung und die Bauherren wäre dies ein schwerer Schlag. Die 1.200 Kilometer lange Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland ist nämlich bereits im Bau und soll eigentlich Ende 2019 in Betrieb gehen.
Deutschland fürchtet durch Nord Stream 2 keine Abhängigkeit
Aus Paris hieß es am Freitag, es liefen noch Verhandlungen über eine mögliche Änderung des Textes. Aus der deutschen Regierung war zunächst keine Stellungnahme zu der offiziellen Ankündigung aus Paris zu erhalten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in der slowakischen Hauptstadt Bratislava lediglich, es sei nichts Neues, dass es hierzu unterschiedliche Meinungen gebe. Sie sehe nicht, dass sich Deutschland oder Europa durch Nord Stream 2 in eine Abhängigkeit von Russland begeben. Deutschland wolle ja auch Anlagen für Flüssiggas aus den USA einrichten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte überraschend seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche ab. Aus Kreisen des Präsidialamtes in Paris hieß es allerdings, die Entscheidung habe nichts zu tun mit dem aktuellen Streit über die EU-Gasrichtlinie. Vielmehr liege es an innerstaatlichen Problemen in Frankreich.
Gibt Frankreich dem Druck der USA nach?
Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über die Auseinandersetzung zwischen Berlin und Paris berichtet. Sie zitierte französische Regierungskreise mit den Worten: „Wir wollen nicht die Abhängigkeit von Russland verstärken und dabei noch den Interessen von EU-Ländern wie Polen und der Slowakei schaden.“
Als eine mögliche Erklärung für die neue französische Positionierung gilt der zuletzt noch einmal gestiegene Druck der USA. In Washington wurden neue Russland-Sanktionen in Erwägung gezogen, die auch den in Russland sehr aktiven französischen Ölkonzern Total treffen könnten. Eine Vermutung lautet, dass die USA Frankreich mit solchen Gedankenspielen zumindest indirekt erpresst haben könnten. Das Projekt wird auch beim Treffen von Bundeskanzler Sebastian Kurz mit US-Präsident Donald Trump thematisiert werden.
55 Mrd. Kubikmeter Gas jährlich
Mit Nord Stream 2 sollen jährlich bis zu 55 Mrd. Kubikmeter Erdgas aus Russland an Drittstaaten wie der Ukraine oder Polen vorbei nach Deutschland transportiert werden können. Ende 2018 waren bereits 370 Kilometer der 1.200 Kilometer langen Rohrleitung verlegt. Die baltischen Staaten und Polen sehen die Trasse als Gefahr für ihre Sicherheit. Die Ukraine befürchtet den Verlust von Milliardeneinnahmen als Transitland für russisches Gas.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.