Selbst bei Verbrechern

Gerichte setzen Abschiebungen enge Grenzen

Österreich
09.02.2019 09:50

Wann dürfen kriminell gewordene Flüchtlinge überhaupt abgeschoben werden? Diese Frage beschäftigt aktuell wieder die Öffentlichkeit. Die „Krone“ hat sich genau angeschaut, wie denn die derzeitige Rechtslage ist und wie bisher die Gerichte urteilten.

Abschiebungen, wie sie immer wieder für kriminelle Flüchtlinge gefordert werden, sind eine komplizierte Sache. Das zeigen aktuelle Urteile. Zunächst entscheidet das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, doch in letzter Instanz landet der Akt bei Verwaltungsgerichten. Als Voraussetzung für Abschiebungen gelten vier Punkte (siehe „Daten & Fakten“ weiter unten).

Wesentlich ist eine Verurteilung wegen eines „besonders schweren Verbrechens“: Tötungsdelikte, Vergewaltigungen, Raub oder Terrorismus fallen darunter, Kindesmisshandlung oder Drogenmissbrauch - meistens - auch, aber eben nicht immer.

(Bild: APA/picturedesk.com/Christian Ohde)

Asylstatus nur kurzfristig aberkannt
In jüngsten Entscheidungen wurde einem zu zehn Monaten teilbedingt verurteilten Syrer der Asylstatus zunächst aberkannt. Der Schuldspruch in Salzburg erging, weil der Mann als Babysitter bei einer Familie ein fünfjähriges Kind missbraucht hatte. Der Verwaltungsgerichtshof entschied aber, die Abschiebung müsse nochmals hinterfragt werden.

„Schuld“ daran ist ein Urteil vom September 2018 im„Fall Ahmed“ des EuGH (AZ RS C-369/17): Delikt und Strafhöhe dürfen demnach nicht alleine ausschlaggebend sein, es muss „die Schwere der Straftat mittels umfassender Prüfung der besonderen Umstände des Einzelfalles“ hinterfragt werden.

Oft muss „im Einzelfall“ geprüft werden
So ist das auch bei einem wegen Drogenhandels zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilten Afghanen: Auch hier muss nochmals „im Einzelfall“ geprüft werden, ob eine Abschiebung zulässig ist. Wobei zwischen den Zeilen eine solche von den Verwaltungsrichtern eher befürwortet wird - aber bis zur endgültigen Entscheidung werden weitere Jahre vergehen.

(Bild: Martin A. Jöchl)

In anderen Fällen hingegen gab es keine Zweifel, dass ein Schuldspruch eine Aberkennung des Asylstatus nach sich ziehen würde: Ein Iraker, der wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung zwei Jahre Haft verbüßen soll, wird abgeschoben. Auch ein wegen Raubes und Vergewaltigung zu mehrjähriger Haft verurteilter Nigerianer wird in die Heimat zurückgeschickt. Kein Zögern gab es auch bei einem Tschetschenen, der wegen Anstiftung zu einem Mordanschlag zehn Jahre Haft ausgefasst hatte.

Mord an Sozialbeamten: Keine Abschiebung für Verdächtigen
Ungelöst bleibt hingegen, was mit jenen zu geschehen hat, die nicht abgeschoben werden können: Der wegen Mordes an einem Sozialbeamten inhaftierte Kurde sagt beispielsweise, er wäre in der Türkei in Lebensgefahr. Und damit ist jede Abschiebung ausgeschlossen ...

Daten & Fakten
Laut Asylgesetz, in das die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und die Menschenrechtskonvention eingewoben sind, dürfen Flüchtlinge aus vier Gründen abgeschoben werden:

  • Erstens muss eine Verurteilung wegen eines „besonders schweren Verbrechens“ vorliegen.
  • Das Urteil muss rechtskräftig sein.
  • Nachgewiesen werden muss weiters, dass der Betroffene „gemeingefährlich“ ist.
  • Und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Rückschiebung die Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen, heißt es in Urteilen.

Peter Grotter, Oliver Papacek, Emanuel Walser, Elred Faisst und Christian Schulter, Kronen Zeitung

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