Vorbild Naher Osten
Experte fordert „Flüchtlingsstädte“ in Europa
Der deutsche Politikwissenschaftler Egbert Jahn schlägt Alarm: „Wir werden eine Zunahme in den nächsten Jahrzehnten von Flucht haben!“, warnte der Migrationsexperte am Sonntag bei einem „Werkstattgespräch“ der CDU in Berlin. Seiner Meinung nach sollten nach dem Vorbild von Flüchtlingslagern im Nahen Osten auch in Europa „Dauerflüchtlingsstädte“ entstehen. „Das Ziel wäre, abgeschottete Flüchtlingszentren zu bilden, in denen die Leute Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte sind“, sagte Jahn.
Laut dem Migrationsexperten funktioniere die Abschottung der Flüchtlingslager in Ländern wie Jordanien oder Kenia gut. „Da ist kein Stacheldraht drum herum. Es funktioniert dadurch, dass die Flüchtlinge nur in den Lagern was zu essen kriegen. Außerhalb verhungern sie. Und sie bekommen keine Arbeit oder Sozialleistungen. Also bleiben sie in den Lagern“, sagte der Politikwissenschaftler in der Diskussionsrunde. Auf Basis dieser Überlegungen müsste seiner Meinung nach Lösungen in der europäischen Asylpolitik gefunden werden.
„Abbau von Illusionen“
Zudem habe der 77-Jährige laut eigener Aussage vor Monaten bereits die Einführung einer 0,5-Prozent-Solidaritätssteuer für Flüchtlinge ins Spiel gebracht. Jahn plädierte jedenfalls für einen „Abbau von Illusionen“. Die Ursachen von Migration ließen sich nicht leicht beseitigen.
„Werde nicht von einem autoritären Syrer zu einem demokratischen Deutschen“
Jahn übte auch Kritik beim Thema Integration. Diese würde in Deutschland nicht funktionieren. „Ich persönlich bin beunruhigt, dass es uns nicht besonders kümmert, dass 60 bis 70 Prozent der Türken Erdogan wählen. Die politische Integration der Türkei-Deutschen ist noch nicht gelungen. Das heißt, sie sind noch keine Demokraten. Und wenn ich übers Mittelmeer flüchte, werde ich nicht von einem autoritären Syrer zu einem demokratischen Deutschen.“ Der Prozess werde noch Jahrzehnte dauern, so Jahn.
„Flüchtlinge nach schnellen Asylverfahren in Herkunftsländer zurückschicken“
Migrationsforscher Gerald Knaus, der das EU-Türkei-Abkommen von 2016 mitentwickelt hat, plädierte in der Diskussion für „moralischen Realismus“. Er schlug vor, Deutschland solle mit anderen europäischen Ländern Aufnahmelager am Mittelmeer einrichten und Migranten von dort nach schnellen Asylverfahren in ihre Herkunftsländer zurückschicken. Im Gegenzug könnten ihnen begrenzte Kontingente für die legale Einwanderung nach Europa in Aussicht gestellt werden.
Der Rechtswissenschaftler Christian Hillgruber verlangte mehr „Handlungsfreiheit“ in der Migrationspolitik. Er kritisierte, dass Flüchtlinge nach mehreren Jahren in Deutschland Rechte erwerben, die ihnen einen dauerhafteren Aufenthalt ermöglichten. Der Chef des Bundesamts für Migration (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, regte an, die rechtlich starke Stellung von Bürgerkriegsflüchtlingen in Europa zu überdenken.
Der Rechtswissenschaftler Daniel Thym erklärte im „Werksattgespräch“: „2015 hatten wir, das muss man wohl anerkennen, einen teilweisen Kontrollverlust.“ In einer verunsicherten Gesellschaft suchten die Menschen einfache Antworten. Allerdings seit inzwischen viel erreicht worden, auch auf EU-Ebene.
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