„Das ist Unfug“

Anwälte und Richter klar gegen Strafverschärfung

Österreich
11.02.2019 12:47

Die von der Regierung geplante Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualverbrechen stößt sowohl bei Anwälten als auch bei Richtern auf heftige Kritik. Für Rupert Wolff, den Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), sind die Maßnahmen „mehr ein Zeichen hin zum Wähler als ein positiver Beitrag“. Wolff erinnerte am Montag daran, dass sich neben der Anwaltschaft im Vorfeld auch die Richtervereinigung, der Oberste Gerichtshof (OGH) und andere Institutionen gegen eine Strafverschärfung ausgesprochen hätten - zumal es eine solche erst mit dem am 1. Jänner 2016 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz gegeben habe.

„Es ist seitdem zu wenig Zeit verstrichen, um auswerten zu können, wie sich das letzte Strafrechtsänderungsgesetz ausgewirkt hat“, meinte Wolff im Gespräch mit der APA. Sinnvoller wäre es nach seinem Dafürhalten gewesen, länger zuzuwarten, bis 2020 die Folgen der jüngsten Novelle auf die Strafpraxis der Gerichte zu evaluieren und allenfalls dann zu reagieren. „Immer dann, wenn medienträchtige oder besonders grausame Straftaten passieren, erschallt der Ruf nach höheren Strafen“, so Wolff, der die Maßnahmen der Regierung als „eher populistisch“ bezeichnet.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl schärfen beim Strafrecht nach. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Innenminister Herbert Kickl schärfen beim Strafrecht nach.

„Gerichtsautonomie wird beschnitten“
Alexia Stuefer, Vizepräsidentin der Vereinigung Österreichischer StrafvertedigerInnen, gab zu bedenken: „Es ist empirisch belegt, dass die Verbrechensrate auch ohne Erhöhung von Strafen seit Jahrzehnten sinkt. Die Justiz weiß mit den geltenden Strafbestimmungen verantwortungsvoll umzugehen. Die Einführung von Mindeststrafen wird zum Ansteigen der Häftlingszahlen und damit zu einer Destabilisierung innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern führen. Sie beschneidet die Gerichte in ihrer Autonomie, für gerechte Strafen zu sorgen.“

Daher appelliert die Vereiningung an die Regierung, das von der Task Force Strafrecht unter der Leitung von Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) erarbeitete Maßnahmenpaket zu überdenken. Dieses sieht unter anderem die Anhebung von Mindeststrafen für Vergewaltigung auf zwei Jahre vor, reine Bewährungsstrafen soll es in diesem Bereich künftig nicht mehr geben.

Karoline Edtstadler (ÖVP) (Bild: APA/Herbert Neubauer)
Karoline Edtstadler (ÖVP)

„Erweckt Misstrauen gegen Richterschaft“
Kriminologe Christian Grafl, der im Auftrag der Task Force die Strafpraxis der Gerichte zwischen 2008 und 2017 analysiert hat, nennt härtere Strafen für Gewalt und Sexualtäter „aus empirischer und kriminologischer Sicht unsinnig“. Im Hinblick auf das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 meinte Grafl, es sei „Unfug, wenn man eineinhalb bis zwei Jahre später wieder am Rädchen dreht“. Zudem erweckt die Verschärfung aus seiner Sicht auch ein gewisses „Misstrauen gegen die Richterschaft“. Bisher unbescholtene erwachsene Vergewaltiger würden als Ersttäter in über 80 Prozent der Fälle schon jetzt Haft ausfassen. Ähnliches gelte für schwere Gewaltdelikte.

(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)

„Keine wissenschaftlichen Belege für Wirksamkeit
Auch die Richterschaft signalisiert Ablehnung. Es gebe keine wissenschaftlich fundierten Belege, die dieser Maßnahme eine Wirksamkeit attestierten, sagte Präsidentin Sabine Matejka am Montag zur APA. Die Richter wünschten sich für die Strafbemessung in der Praxis einen möglichst breiten Rahmen, um der einzelnen Tat gerecht werden zu können, betonte Matejka. Außerdem gebe es die Befürchtung, dass höhere Mindeststrafen sogar den umgekehrten Effekt haben könnten. Speziell bei Gewalt in der Familie entstehe dadurch eine noch höhere Drucksituation für die Opfer.

(Bild: Christian Jauschowetz )

„Opferschutz und Täterarbeit fehlen“
Das Regierungsargument, dass kleine Wirtschaftsdelikte in Österreich härter bestraft würden, als Gewalttaten an Frauen und Kindern, lässt Matejka nicht gelten. „Dem muss man widersprechen. Ich halte diesen Vergleich für völlig verfehlt, vor allem die letzte Strafrechtsreform hat genau da angesetzt.“ Um deren Effekt auszuwerten, müsse man sich einfach ein bisschen Zeit nehmen: „Das ist kein Argument für weitere Änderungen.“ Was bisher fehle, in Wirklichkeit aber viel wichtiger sei, seien die Punkte Opferschutz und Täterarbeit.

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