„Rebellen“ vor Gericht
Spanische Regierung als „Geisel“ der Separatisten
Vor dem Obersten Gericht in Madrid nehmen am Dienstag zwölf Anführer der katalanische Separatisten-Unabhängigkeitsbewegung, die im „heißen Herbst“ von 2017 zentrale Rollen gespielt haben, erstmals auf der Anklagebank Platz. Der Gruppe um den früheren Vize-Regionalpräsidenten Oriol Junqueras drohen Haftstrafen von bis zu 25 Jahren. Der abgesetzte Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont, der vor der Justiz nach Belgien geflohen war, ist von dem Verfahren nicht betroffen. Der historische Prozess bringt den sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sanchez in Bedrängnis: Einerseits werden harte Strafen gegen die Separatisten gefordert. Andererseits ist Sanchez bei der Abstimmung über den spanischen Haushaltsplan auf die Stimmen der katalanischen Parteien angewiesen. Das vorzeitige Ende der Regierung und Neuwahlen rücken in immer greifbarere Nähe.
Am Mittwoch, nur 24 Stunden nach dem Auftakt des historischen Verfahrens - welches auf drei Monate angesetzt ist und für das sich mehr als 600 Journalisten aus aller Welt akkreditiert haben - ist die Budget-Abstimmung im Nationalparlament angesetzt. „Gratis“ wollen die Katalanen Sanchez ihre entscheidenden 17 Ja-Stimmen aber natürlich nicht geben. Unter anderem fordern sie, dass sich der Regierungschef gegen harte Urteile für Junqueras & Co. ausspricht und zudem einer Debatte über das Selbstbestimmungsrecht der Region im Nordosten zustimmt. Sanchez gab bisher nicht nach.
Die alles entscheidende Budget-Abstimmung
Der Sozialist sei dennoch eine „Geisel“ der Katalanen, schrieb am Wochenende die Tageszeitung „El Mundo“. In der Tat: Falls keine Seite einlenkt und die Katalanen am Mittwoch ihre Drohung wahr machen und mit der konservativen Opposition gegen den Etat stimmen, könnte Sanchez die eigentlich im Juni 2020 fällige Parlamentswahl vorziehen (müssen). Am Montag brachte er erstmals den 14. April als möglichen Termin dafür ins Spiel. Vorher war mehrmals der 26. Mai, der so genannte „Supersonntag“ genannt worden, was aber nicht bei allen Sozialisten auf Begeisterung stoße, schrieben Medien. An diesem Frühlingstag stehen in Spanien schon die Europawahl und viele regionale Urnengänge auf dem Programm, so dass die Anhänger der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE nach Meinung von Sanchez eventuell besser zu mobilisieren seien.
Sanchez wird aber nicht nur von den Katalanen bedrängt. Am Sonntag folgten Zehntausende dem Aufruf der konservativen Volkspartei PP, der liberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox, in Madrid für eine Neuwahl auf die Straßen zu gehen. Der Hauptvorwurf: Die Regierung sei den Separatisten gegenüber zu nachgiebig. Sanchez sei ein „Verräter“, der die Einheit des Landes aufs Spiel setze, sagen die politischen Gegner. Damit aber nicht genug: Die Katalonien-Politik des 46-Jährigen wird auch von PSOE-Gründungsvätern wie Felipe Gonzalez und Alfonso Guerra kritisiert.
Viele Spanier zittern vor Neuwahl
Eine Neuwahl scheint mit jeder Minute wahrscheinlicher zu werden. Beim Gedanken daran wird vielen Spaniern mulmig - denn die Erinnerungen sind noch frisch: Aufgrund des Endes des faktischen Zweiparteiensystems aus PP und PSOE und einer Stimmenzersplitterung war man 2016 trotz zweier Wahlgänge innerhalb von sechs Monaten fast ein Jahr lang ohne reguläre Regierung. Anschließend hielt die schwache konservative Regierung von Mariano Rajoy nur gut eineinhalb Jahre. Im Juni 2018 holte Sanchez Rajoy per Misstrauensvotum aus dem Moncloa-Palast - unterstützt von den separatistischen Abgeordneten.
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